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Englische Novellisten. I. : Charles Dickens.
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verliert,, iK Verrücktheit oder ekelhafte, unzüchtige Affeetation-, mit wie viel Talent er auch ausgeübt sein mag. Ncnr ein heiteres, sittliches und gutartiges Gemüth hat das Recht, humoristisch zu sein; nur eine gediegene plastische Natur das Recht, humoristisch dargestellt zn werden; denn die Siechheit des Dichters oder seines Gegenstandes tritt in der Form der Willkür nur uoch beleidigender hervor.

Die einfachste und natürlichste Form des Humors, jene Form, in welcher die Engländer sich zu allen Zeiten ausgezeichnet haben, im vorigen Jahrhundert Fielding und Smollet, in unseren Tagen Marryat, Hook, Leo er u. s. w., hat bis zu einem gewissen Grade Jeder von uns ausgeübt. Jeder -von uns hat auf den Schulbänken oder als Student gegen den Lehrer oder den Philister irgend welche Narrenstreiche ausgeübt, und Jeder hat diese lustige Erinnerung, wenn er mit. alten Kameraden zusammenkam, durch Wahrheit und Dichtung zu einer künstlerischen Composttion abgerundet. Schulgeschichten sind auch immer das geläufigste Thema des englischen Romans.

Es liegt die Lust an dieser Form mehr im Negativen, sie hat, so bunt anch ihre Maskenscherze sein mögen, zu wenig eigenen, innern Inhalt. Weit höher steht der Humor Goldsmith's nnd Washington Jrving's. Da Dickens iZ die nämliche Reihe gehört, so genügen hier einige Andeutungen. Deh Viear ot' ^akeiielä nnd das SKeteK-VooK sind die eigentlichen modernen Idyllen: W Rückkehr der Erde, die sonst in der Poesie sich zu entfliehen strebt, um den Himmel zu erreichen, zu sich selber. Im Epos, in der Tragödie, in her Lyrik dehnt sich die Sehnsucht des Geistes ins Unendliche; das Licht, welches sie sucht, ist polemisch gegen die kleinen.Schatteu der Erde. Das Idyll geht nicht diesem überirdischen Lichte nach, es coneentrirt sich um das Kaminseuer,. die Kerzen des Weihnachtsbaums; es führt das strebende Herz, das seiner nächsten Natur ent­fremdet war, in den engen Kreis seiner Gebnrt zurück, und zeigt ihm das Ideal in dem, was es hat. Daß der unendliche Schatz von Liebe, dessen es sich erfreut, im Begrenzten nnd Endlichen sich völlig erschöpft, das ist der Hnmor dieser Dichtungsform.

Bei Walter Scott besteht der Humor in einer sehr gelinden und feinen Ironie, durch welche sich der Dichter von dem Pathos seiner Helden unterscheidet. Der eigentliche Epiker verliert sich vollständig in seinen Gegenstand; npr Achill, Hektor, Odyfseus fesseln unsere Theilnahme, Homer verschwindet. Dies reine Epos ist nur denkbar in einer Zeit, in welcher die sittlichen Voraussetzungen noch ungefähr auf dem gleichen Niveau standen. Eine Zeit, welche Claverhonse und Burley, die Puritaner und die Eavaliere, also zwei a.anz verschiedene Welten mit einander in Rapport bringt, erträgt diese Objectivität nicht. Walter Scott deutet überall durch ganz zarte ironische Winke, trotz der Wärme, mit der er sich in die Anschauungsweise seiner Helden vertieft, die Freiheit von ihren Voraus­setzungen an. Bei Cervantes ist es beiläufig etwas Aehnliches, aber nach