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Englische Novellisten. I. : Charles Dickens.
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stiftete, als Einer, der von Bevölkerung nur redete; darum hatte ich kaum mein Amt, als ich auch ernstlich an Heirath dachte u. s. w." Hier liegt das Komische namentlich in der Ciutheiluug der Menschen in solche, welche die Welt wirklich bevölkern, nnd solche, die von Bevölkeruug nur reden; und in dem ans einem Princip hergeleiteten Entschluß der Heirath. Beides ist au sich nicht falsch, aber es widerspricht den currenten Vorstellungen. Ganz ähnlich Polonins. Der Ausdruck ist die Hauptsache, darnm haben die Franzosen so wenig Humor. Ihre Sprache bewegt sich stets in gerader Linie, in logischer Folge; der Hnmor ver­langt die krumme Liuie und eine gewisse, an Zerstreutheit grenzende Toleranz den logischen Auforderuugeu gegenüber.

Endlich versteht der Humor Spaß. Was das heißt, will ich hier nicht analysiren, weil ich keiue Theorie der Aesthetik schreibe; ich berufe mich darauf, daß Jedermann es weiß. Ich will mich nur dagegen verwahren, daß der Hnmor ans einem Gefühl der allgemeinen Nichtigkeit hervorgehen soll*); er mnß im Gegentheil, wenn er wohlthuend wirken soll, aus einem lebendigen Interesse für alles Lebendige, so klein und uuscheiubar es auch seiu mag, hervorgehen. Den Humor, welcher erst die allgemeine Fäuluiß gekostet haben mnß, nm dann, weil doch nichts auf der Welt einen Schnß Pulver werth ist, sich mit gleich blasirter Liebe für das Gnte wie für das Schlechte zu iuteressireu, nennt man mit Recht Gal­genhumor.

Ich beschränke mich absichtlich auf diese wenigen Bemerkungen, weil sie für meinen Zweck geuügeu. Es ergibt sich daraus, daß der Humor an sich kein Gesetz und keine dialektische Bewegung hervorbringen kann, daß er nur berechtigt ist, inso­fern er einem höhern künstlerischen Zweck dient. Der größte humoristische Dichter aller Zeiteu ist Shakespeare; er ist nie bloßer Hnmorist, oder wo er es ist, erscheint er am schwächsten (z. B. in einigen Lustspielen, die heutzutage keiu Mensch mehr auf der Bühne sehen möchte). Der Humor ist eine Form der Dar­stellung, die, weuu sie sich zum Herrn macht, alle Kunst in Wildniß auflöst; die aber, wenn sie sich den höhern Zwecken fügt, die Idealität des Kunstwerks erhöht.

Der Humor ist nur dann im Recht, wenn seine Unwissenheit über den Un­terschied von Grün und Gelb, Todte und Lebendige, Recht und Unrecht nur ein Schein ist. Der Humor, der in der That das Bewußtsein dieses Unterschiedes

Bischer erklärt H 917:In die unmittelbare Lust muß die herbere Erfahrung der allgemeine» sittlichen Unreinheit und des allgemeinen Uebels, denen sich auch das lustige Subject nicht entziehen kann, alö Quelle inneren Kampfes eintreten," und fügt in der Anmerkung hinzu:Starke jugendliche Naturen, die freilich zu dem Bewußtsein gelangen, daß sie mit den Wölfen heulen musseu; aber die Fülle einer unüberwindlichen Gesundheit. . schäumt über das Gefühl, wie krank die Welt ist, brausend in Jugendscherz hin. Man denke an Mercutio." Ich frage alle Welt, wo ist in Mercutio auch nur eine Spur von diesem Weltschmerz, wo eine Spur davou iu seinem größeren Zwillingöbruder Percy Heißsporn?