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uns zwar auch gemüthliche Menschen, aber es ist eine bestialische Gemüthlichkeit, die zum großen Theil aus dem Alkohol hervorgeht. Zwar sind die Quantitäten von Punsch und Portwein, die Pickwick nnd seine Frennde vertilgen, von der Art, daß sie ein deutsches Gehiru wohl außer Fassung setzen können; aber diese Zecher sind doch wahre Kinder gegen die Helden von Charles Lever, Lady Mor-» gan, und der übrigen Novellisten des grünen Erin.
Pickwick erschieu, wie auch die späteren Romane, in monatlichen Heften. Die künstlerische Form geht dabei natürlich zu Gruude. Nicht allein, daß von einem Festhalte« des eigentlichen Planes keine Nede ist; der Dichter wird anch genöthigt, in jedem Abschnitt sein gestimmtes Personal dem Publicum vorzustellen, damit es uicht iu Vergessenheit gerathe. Im Pickwick schadet das weniger, denn man hat es nicht mit einer zusammenhängenden Geschichte zu thun, sondern mit einzelnen Volkssceueu, die wohl oder übel durch die Anwesenheit einer Hauptperson aneinander gefädelt werden. Dagegen wirkt es nachtheilig auf die Charatter- bilduug. Die gauze Gesellschaft der Pickwickier hat' ursprünglich einen satyrischen, nnd zwar einen ziemlich grob satyrischen Zuschnitt; bei weiterer Ausmalung verliebt sich aber Dickens so in seinen Helden, daß ein Ideal darans wird, und daß seine. Gefährten, bei denen die Carricatnr festgehalten wird, in keinem Verhältniß mehr dazn stehen. Er selber hat sich über diesen Punkt damit zu rechtfertigen gesucht, daß einem bei einem ähnlichen Charakter zuerst die lächerlichen Seiten in die- Augen springen, und daß man erst allmälig hinter den wahren Fonds feines. Geistes kommt. Die Bemerkung ist vollkommen richtig, aber sie entschuldigt den Dichter uicht, der mit seineu Geschöpfen so genau bekannt sein muß wie der liebe Gott mit den Erzeugnissen seiner Muße. Ueberdies begegnet es Dickens öfters, daß er aus Gutmüthigkeit zuletzt die Härte seiuer Persoueu, wenn diese uicht geradezu einen abstracten Begriff versinnlichen sollen, fallen läßt; ich erinnere nur au die Bekehruug des alten Dombey.,
Abgesehen von diesen Fehlern, ist der Hnmor der Darstellung unübertrefflich. Er unterscheidet sich vou dem deutschen Hnmor ebenso vortheilhaft, wie das englische Leben von dem deutschen. — Es ist nicht unnöthig, über das Wesen des Humors einige Bemerknngen zu machen, wMger aus dem Grunde, als ob der Begriff an sich nnklar wäre, als zur Abwehr der verschrobeuen Theorien, die theils das schlechte Beispiel von Jean Paul,. Haman, Mpel, Aruim, Heine :c., theils eine vollständig von dem Leben und der Bestimmtheit gelöste Speculatiott hervorgerufen hat, und die zuletzt das Weseu der Kuustform in ihr Gegentheil, in'S Mystische uud Trausceudeute verkehrt haben. .
Mau denkt sich jetzt unter Humor eiue Reihe gewaltsamer Contraste, russische Dampfbäder aus dem Frost diabolischer Ironie in die Gluth verzückter Begeisteruug. Auf die nackten Cynismen kalter Selbstsucht muß augenblicklich jene ätherische Empfindnngsweise Emanuels folgen, die zu verstehen selbst den Engeln im Himmel
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