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entsprungen, derselben auch in höherer, künstlerischer Gestalt zugänglich waren und von ihr verstanden wurdeu. Die glanzvolle Aufnahme der Weber'scheu Werke findet zumeist darin ihre Erkläruug uud Rechtfertigung. Mit dem Tode Weber's und Beethoven's trilt eigentlich wieder ein Stillstand ein; nur Einer uuter den jetzt Lebenden ist in Weber's Fußtapfeu getreten uud sein würdiger Nachfolger geworden; dies ist Heinrich Marschuer. Lortzing und Flotow gehören nicht dazu. Lortzing's Opern sind unselbständig uud somit in der Kuustgeschichte von keiner Bedeutung; sie sind zusammengeflickt aus allerlei Plagiaten. Der frühere, geschickte Opernsänger hatte in den Kammern seines Gedächtnisses eine nicht unbeträchtliche Masse Material aufgesammelt, welches er bei seinen, mit vieler Noutiue zusammengeleimten Sujets vortrefflich au den Mann zu bringen wußte. Darum tragen auch Lortzing's Opern den Charakter aller Schalen an sich, welche je in Deutschland, Frankreich und Italien für die dramatische Mnsik maßgebend waren. Nicht sowohl künstlerische Absichten spornten ihn zn solch außergewöhnlicher Thätigkeit, sondern lediglich der in ihm so ausgebildete Trieb der Nachahmung. Flotow ijt vielleicht noch schlimmer, denn er ist einseitiger; er keuut. uur ein Muster, den leichtfüßigen Auber, nach dessen Beispiele er seine Tanzweisen und Kuuststückchen gefunden hat. Die neueste Zeit hat zwei audere Versuche aufzuweisen, die Oper Genoveva von Schumann und den Corsar von Nietz. Beide Mauuer zählen unter die tüchtigfteu musikalischen Kräfte unseres Vaterlandes, ihre Werke fiud voll gediegener Einzelheiten, sie strotzen von Solidität, aber sie enthalten keine volkstümlichen edleren Melodien, nicht einmal genügend anregende Rhythmen. Vergeblich sucht man in ihnen das glänzende Licht eiues frischeu warmen Lebens, sie fiud dunkel und farblos, Prodncte der weisen Theorie.
Weber uud Marschner werden jetzt Romantiker genannt, nnd zwar auf eiue Weise, als ob man zufrieden sei, diesen Standpunkt überwuudeu zu haben. Es ist nicht die Absicht, hier diese Nomantik in der Musik zu charakterifiren, noch weniger sie zn verurtheilen. Denn in der deutscheu dramatischen Musik haben wir noch keine blühende nene Richtung, welche Edleres uud Schöneres zu bieten vermöchte. Der erste große Vorzug der Nichtuug Weber's und Marschner's ist folgender: sie enthalten scharf abgegreuzte Charaktere, die dem Compouisten die Möglichkeit an die Hand gaben, treffende Tonbilder zu schaffen, schlagende, wenn auch oft grobe Wirkungen zu erzielen, die das Gemüth ergreifen und zu ihrem Verständniß uicht erst minutenlange Grübeleien bedürfeu. Marschuer erscheiut iu seiuer Charakterzeichuuug uud der Färbung, welche er seinen Tonbildern gibt, kraftvoll, derb, zuweilen sorcirt, Weber spinnt feinere Fäden, uud miuder einseitig, als sein Nachfolger, weiß er auch die zartesten Situationen wirkungsvoll zn malen, er ist zuweilen ein vollendeter Lyriker. Wie bei allen Epigonen, so treten auch bei Marschner die Fehler seines Vorbildes