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welchem sich unsere Konservativen mit ihren Freunden, den Demokraten, brüderlich einigen, ist noch Einiges zu bemerken.
Das Wesen einer Vertretung wird nicht durch die Bevollmächtigten bestimmt, sondern durch die Vollmachtgeber. Bon einer Beamtenkammer wäre in Preußen auch dann noch keine Nede, wenn sämmtliche Deputaten Beamte wären. Wenn der Bauer für gut findet, zum Vertreter seiner Interessen einen Mann zu wählen, dem er größere Einsicht in das Technische zutraut, als seinen eignen Standesgenossen, so liegt darin sowenig eine Beamtenvertretung, als in der Vollmacht, welche der Kläger seinem Advocaten, einem Juftizbeamten ertheilt. Wie die politische Bildung bis jetzt in Preußen beschaffen ist, wird man in den meisten Fällen einen geschulten Bureaukraten, mit dem man sonst in der Hauptsache einig ist, einem andern Kandidaten vorziehen. Das gilt von allen Parteien. Daneben wird in Fabrikdistricten der größere Fabrikant, in den ackerbautreibenden der gebildete Gutsbesitzer doch seine Stelle finden, und das Verhältniß wird sich mit jeder Wahl bessern. Mehr und mehr wird die Gemeinde- Stadt- und Kreisverwaltung die Staatsverwaltung absvrbiren, und wenn man dann noch die Beamten des Volks als ungeeignete Vertreter des Volks wird darstellen wollen, weil sie sich auf doppelte Weise das Vertrauen ihrer Mitbürger erworben haben, so wird man sich vollends lächerlich machen.
V^^L Das Mißtrauensvotum der zweiten Kammer. Von einem Namenlosen. Berlin, W. Hertz.
Der Namenlose, bereits Verfasser eines „Sendschreibens an Herrn Professor Dahl- mcmn" über das Stenerbcwilligungsrecht preußischer Kammern, legt sich die Frage vor, was die Negierung thun sollte, wenn die Kammern nach dem 3. Januar auf das Mißtrauensvotum, welches vor ihrer Vertagung so gut wie durchgegangen war, noch einmal zurückkommen sollten. Daß er eine Auflösung der Kammern und Neuwahl für nicht sehr zweckmäßig hält, läßt sich von einem Mitglied der äußersten Rechten erwarten. Er findet endlich, daß die Minister am besten thäten, wenn sie das Mißtrauensvotum, welchem voraussichtlich die erste Kammer nicht bcitreten würde, ruhig avis legten, wie es Lord Palmerston mit einem ähnlichen Votum des Oberhauses gethan hat, welches sich gleichfalls auf die auswärtigen Angelegenheiten bezog. Der Vergleich hinkt aber auf beiden Beinen. Einmal geht dieses geringschätzige Verhalten Lord Palmerston's gegen das Votum des Oberhauses nicht aus einer Geringschätzung des Parlaments, sondern ans einer Geringschätzung des Oberhauses hervor, dessen Beschlüsse in der öffentlichen Meinung bereits so wenig Gewicht haben, daß man sie ungestraft aä sota legen kann. Sodann kann man wohl zugeben, daß ein verständiges Parlament sich so wenig als möglich in die auswärtigen Angelegenheiten mischen wird, muß aber behaupten, daß Preußen noch gar nicht in der Lage ist, die deutschen Bun- dcsangelegenheiten als auswärtige Angelegenheiten zu behandeln. Wo man jeden Au- geublick neue Karlsbader Beschlüsse gewärtigen kann, würde eine preußische Kammer, die eine Neconstruction des Bundes nicht in den Kreis ihrer Berathungen zöge, verräterisch gegen das Land handeln. Die wirkliche Wiederherstellung des alten Bundesrechts mit der Ausdehnung, welche Oestreich und noch mehr die Mittclstaaten beabsichtigen, würde die Fortdauer der preußischen Verfassung unmöglich machen. — Der Verfasser geht aber weiter; er fragt sich, was zu thun sei, wenn dem Mißtrauensvotum eine Vcrwei-