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Agent Oestreichs zu fungiren, so wird man ihn nächstens wegwerfen, wie eine ausgequetschte Citrone.
Die Revolution, ihre Früchte, die Politik, die Reform. Von Bülow-Cummerow. Berlin, W. Hertz.
Herr v. Bülow-Cummerow hat sich in den vormärzlichen Zeiten für Preußen fast einen ähnlichen Namen gemacht, als Herr v. Audrian für Oestreich. Auch der Gesichtspunkt, von dem Beide ausgingen, hatte etwas Aehnliches: Beide traten für die einzelnen, beschränkten, natürlichen Functionen des Staatslebens gegen die Verallgemeineruugspläne des künstlichen Staats, des Becnntenthums in die Schranken. Damals war eine zusammenhängende Besprechung von Dingen, die dem „beschränkten Unterthanenverstand" eigentlich fern liegen sollten, noch etwas Neues. Aber noch in den alten Zeiten überwarf er sich mit den eigentlichen Liberalen, pflanzte die Fahne der Aristokratie aus und verlangte die „Vertretung der Interessen". Vertretung der Interessen ist eine Redensart, so gut und so schlecht, wie eben eine Redensart sein kann. Um etwas daraus zu machen, würde eine factische Sonderung von Interessen, die vertreten werden könnten, vorauszusetzen sein. Nun gibt es wohl Conflicte von Interessen, aber keine politischen Korporationen, die nichts wären, als die Träger eines bestimmten Interesse. — Nach der Revolution gehörte er zu den eifrigsten Teilnehmern an der Gesellschaft für die Wahrung des Eigenthums- rcchts, die namentlich gegen die Hanscmann'schen Operationen gerichtet waren.
Nun tritt er mit seiner alten Theorie der Interessen wieder auf und findet, daß sich mit einer Volksvertretung, wie die jetzige, vom Ministerium Manteuffel octroyirte, nicht regieren lasse. Also fort damit! „Sie auf gesetzlichem Wege zu ändern, wird bei der Richtung der Majorität der zweiten Kammer schwer zu erreichen sein. Zwar hat der Monarch den Eid auf die Verfassung nur mit Vorbehalt (!!) geleistet, daß er hoffe, sie würde zum Wohl seines Volkes führen (!); dennoch erscheint eine Octroyirung sehr bedenklich (!), bis die äußerste Noth keine andere Wahl mehr läßt (!); dann könnte es aber leicht zu spät sein." Ist das nicht eine heitere Art, wie die christlich- germanische Partei den Eid ausfaßt? — Aber das ist noch nicht genug.
Was hat Herr v. Bülow eigeutlich an der gegenwärtigen Vertretung auszusetzen?
Einmal hat sie einige schlechte Gesetze, die ihr vom Ministerium vorgelegt wurden, angenommen^). — Also würden sie auch wohl Gesetze geworden sein ohne die Kammer, welche das Interesse der conservativen Partei vertrat, die gegenwärtige Regierung zu unterstützen. ,
Der Hauptgrund ist aber ein anderer. „Unsere Verfassung, wie sie jetzt factisch besteht, ist keine rein monarchisch>constitntionelle. Zwar hat sie eine solche werden sollen, allein das preußische Volk hat sie bei den Wahlen in eine monarchisch-bureaukratische umgewandelt (als ob einmalige Wahlen das Wesen einer Verfassung verändern könnten!), und es würde daher der geleistete Eid nicht verletzt werden, sie in dieser Beziehung zu reformiren."
Ueber das letztere Argument würde es zu ekelhaft sein, auch nur ein Wort zu verlieren; eine Reform in dieser Beziehung könnte nur darin bestehen, daß man die Wahl von Beamten überhaupt verbietet. — Aber über den Begriff einer Beamtenkammer, in
In der Kritik dieser Gesetze treten wir in einigen Punkten dem Verfasser bei.