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Aus dem Münchener Ständehaus : 2. Reichsräthliches Leben.
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rerentwickelung des Staatslebens entgegentreten zu müssen meinte, die ja das ge­genwärtige Ministerium vertrete. Doch verkennt er auch die vom hochgeehrten Herrn Vorredner geäußerten Besorgnisse keineswegs. Habe die jenseitige Kam­mer Modificationeu gemacht, so that sie es gewiß in reiflicher Erwägung, doch ohne daß der diesseitige Ausschuß diese zu theilen vermochte, der vielmehr mit seinem Antrage die Intentionen der Regierung, die ja anch die der Abgeordneten­kammer, bestimmter zu erreichen glaubte. Dies war es, was er bemerken wollte.

Man hat ihn auch noch ruhig augehört; sollte jedoch etwa ein Mitglied der Opposition da.s Wort uehmen, so ist's deutlich ersichtlich, welche prickelnde Unge­duld die Versammlung durchläuft. Auch hat der Herr Präsident schon die letzte Rede benutzt zur Unterhandlung mit dem ans der Rednerbühne stehenden Refe­renten um eiu kürzestes Schlußwort oder Verzichtleistung. Ja, die Eile ist so groß, daß sogar mitunter die Frage nach dem Verlangen des Wortes oder die Uebergabe desselben an den Referenten nur durch Zuruf aus der hohen Ver­sammlung, der Form halber, in Erinnerung gebracht werden kann. Natürlich verzichtet der Referent, der eben so gnt, wie die Galerie, bemerkt hat, daß einer der Blauuniformirteu schon mehrmals hereingekommen ist, nm diesem und jenem Mitglied flüsternd zu melden, daß der Wagen vorgefahren ist. Es regnet aber draußen, oder es scheint die Sonne sehr stark, man darf also die Pferde nicht lange warten lassen. Nach erfolgter Abstimmung über diese» Artikel erledigen sich die folgenden rasch. Nur Mißwille könnte glauben, es geschehe flüchtig, um sertig zu werden. Sind's deren gar zu viel, so wird ja sogar die Weiterbera- thnng vertagt, obgleich man schon weiß, daß sie das nächste Mal mit noch grö­ßerem Dögout fortgesetzt wird.

Von welcher Art von Vorlagen gelten nun solche Verhandlungen, die man aus bürgerlichem Standpunkte beinahe cavaliere Abthuungen nennen könnte? Sie besuchten wol seit 1848 die kleine Galerie der hohen Kammer sehr selten, sonst wüßten Sie gewiß, daß dies der gebräuchliche Berathuugsmodus, wenn es sich nicht gerade um das uackte Princip der Revolution und Contrerevvlntion, oder noch unmittelbarer nm mögliche Verluste an standesherrlichen Prärogativen und materiellen Vortheilen handelt. Aber es war doch von einer Opposition, ja sogar vonRothen" die Rede? Allerdings, das sind Begriffe, die man nur in langer Bekanntschaft mit den rcichsräthlichen Verhandlungen und außer­parlamentarischen Aeußerungen richtig würdigen lernt. Die Opposition ist nicht etwa gegen die Negierung, oder gegen die Gesellschaft, sondern einzig gegen die Gelüste der Mehrheit gerichtet. Uudroth" ist, wer nicht geradezu alle einzel­nen Zeiterscheinuugeu seit 1848 für den Inbegriff der Zerrüttung erachtet. Einige Redner der Opposition haben wir schon gehört; doch stimmen sie mei­stens unbedingt mit der Mehrheit. Benutzen wir die übrige Zeit der namentli­chen Abstimmung, um einige der eigentlich destructiven Elemente kennen zu ler-