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Aus dem Münchener Ständehaus : 2. Reichsräthliches Leben.
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zensblick nach der obern Kammer, schlug tönend an die Brust, uud tröstete sich wehmüthig damit, daß wenigstens das Gesetz zu Stande komme.Denn, meine Herreu, ob man uus im nächsten Jahre selbst diesen Entwurf vorlegen werde, das ist mir blicken Sie ans die Ereignisse in den größern Nachbarstaaten min­destens sehr zweifelhaft." So lautete die Schlußphrase. Ein Entwurf, dem also dieses Ende bevorstand, befand sich ans der Tagesordnung der Reichsräthe. So wichtig hatten ihn die Erblichen indessen nicht erachtet, um große Einberu­fung von Jagden, Landsitzen und Reisen zu halteu. Bekannt war, daß der Aus­schuß sich mit erwähnten Verschärfnngen für die ursprüngliche Vorlage entschie­den, einigejedoch" anstattallein",zwar" stattobzwar", ja selbst einmal Gefängniß" stattArbeitshans" ans denjenseitigen" Modificationen befürwor­tet, alle andern Abänderungsvorschläge dagegen kurzweg verworfen hatte.

Auf den Gesichteru der hohen Mitglieder zeigte sich natürlich beim gewohn­ten Heimznge nicht die mindeste Aufregungöspur. Nur ein Paarrothe" jüngste Neichsräthe suchten uoch auf diesem knrzen Gauge ihren Nachbarn Etwas zu be­weise»; man bemerkt's indessen blos daran, daß sie den einen Glacehandschuh auszogen und schlenkerten, während sie sprachen.Meine Herren, ich eröffne die Sitzung und ersuche den Herrn Referenten des ... ten Ausschusses Bericht zu erstatten." Währeud dies ohue allen Aufwand von parlamentarischem Ueberzeu- gnngseifer ziemlich unverständlich geschieht, hört nur das Publicum zn, und etwa noch ein oder das andere Mitglied der sogenannten Opposition. Der Majori- tätsbeschuß ist auch diesmal schon fertig, man braucht Nichts mehr zu wissen. Nachdem Sie den Vortrag vernommen, eröffne ich die allgemeine Discussion wenn Niemand.... Der Herr zweite Präsident hat das Wort."

Er hat es wirklich, trotzdem daß eine große Geübtheit dazu gehörte, sich zwischenDiscussion" undwenn" zu schiebe». Herr Gras Carl v. Seinsheim ist ein ganz trockner, kleiner, grauer Mann, mit schmalem, strengem Gesicht, was nnr höflich mit dem Mnnde, nie mit den Augen lächelt. Ein auffallend ausge­bildetes Riechorgcm trägt uicht dazu bei, seilt Antlitz einnehmender zn machen, und seine Stimme redet sich keineswegs in ein Herz. Sie ist scharf, trocken, befehls­haberisch; vielleicht würde sie für Tilly gepaßt haben, wenn er im Civilsach an­gestellt gewesen wäre. Gesticulativneu macht er nicht, höchstens einmal eine kurze impcratorische, Handbewegung. Und er beginnt mit herablassendem Danke für die Weisheit des Ministeriums, ohne zn vergessen, daß dessen morgenröthliche Vorgänger längst die Verpflichtung gehabt hätten, den vorliegendeil Entwurf ein­zubringen. Er ergießt sich dann in herbe Klagen gegen die wühlerischen Um­triebe, die natürlich noch immer im Dunkeln umherschleichen, deshalb gefahrdro­hender als jemals, stets zum Losbrnch bereit, nur bezwingbar durch äußerste Machtmittel und härteste Strafen. Er findet den Entwurf im Ganzen viel zu mild gegen die zersetzende Verderbtheit der modernen Welt, und streift sogar mit