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Wochenschau.
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Wochens chau.

Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses,

gehalten in der Paulskirche zu Frankfurt a. M., am 22., 23. und 2t. August -I8S0. Frankfurt, Sauerländer. Die komische Seite dieser Verhandlungen liegt zu nahe, als daß wir es nöthig hätten, sie hervorzuheben. Eine aus verschiedenen Nationen zusammengesetzte Versammlung, deren einzelne Mitglieder sich einer Sprache bedienen müssen, die ein großer Theil der Andern nicht versteht; eine Versammlung, welche die höchsten Probleme der Sittlichkeit nnd des Staatslebens zu lösen, oder wenigstens zu deren Lösung etwas Wesentliches beizutragen meint, ohne sich anch nur im Entferntesten über die Mittel klar zu machen, die sie anwenden will; die dann endlich, um doch irgend etwas Praktisches durchzusetzen, die eigenthümliche Stellung annimmt, in die Mitte zweier kämpsenden Heere zu treten , und eine an tausend widerstreitende egoistische Interessen geknüpfte Frage durch einen einfachen Spruch der Billigkeit austragcn zu wollen: eine solche Versammlung fordert zu sehr die Ironie heraus, als daß sie noch der einzelnen komischen Auftritte, wie z. B. des Indianer-Häuptlings mit seiner Friedenspfeife und den Reminiscenzen aus Cooper, bedürfte, um vor den Augen des Spießbürgers lächerlich zu erscheinen. Wir sind in Deutschland an ähnliche Ver­sammlungen hinreichend gewöhnt, und wenn wir nicht durch die Betheiligung der Praktischen Amerikaner und Engländer aufmerksam gemacht würden, so könnten wir uns leicht versucht fühlen, den ganzen Friedenscongreß für eine schwache Nachahmung jener Anacharsts Clootz'schen Komödie anzusehen, die durch eine Deputation aus allen Wclttheilcn das neue Reich der Freiheit in Paris begrüßte. Allein die Sache hat auch ihre ernste Seite. Jenes Gefühl, daß der Krieg zwischen Nationen eben so irra­tionell ist, als der Krieg zwischen den Einzelnen, den wir am Mittelalter mit Recht verdammen, muß immer allgemeiner werden, und die verschiedenen Völker, die bei der. Ueberreizung des neu geweckten Nationalgefühls nur zu geneigt sind, durch ihre gegen­seitigen Antipathien die bereits sehr verwickelten Zustände noch weiter zu verwirren, müssen auch persönlich suchen einander näher zu kommen. Das grandiose Fest der Industrie, welches in diesem Augenblicke in London gefeiert wird, ist freilich in dieser Beziehung ein viel wichtigerer Schritt, als alle Zusammenkünfte wohlmeinender Privat­leute, und eine verständige Fortbildung der Handelsgcsetzgebung wird mehr dazu bei­tragen, den allgemeinen Frieden zu sichern, als die erbaulichsten Reden über die Bar­barei des Krieges. Ucberhaupt ist der Gedanke des bloßen Friedens zu avstract und einseitig, als daß auf ihn allein eine neue Politik sich gründen könnte. Der Krieg entsteht eben so wie die Revolution aus der Verkehrtheit der Zustände. Ohne diese zu heben, wird es auch nicht gelingen, den Frieden zu sichern. Wenn jene Engländer nnd Franzosen aufrichtig den Frieden wollen, so sollten sie vor allen Dingen dazu beitragen, in ihren Staaten jene Hindernisse zu beben, die ein einseitiger Egoismus der Herstellung eines geordneten Staatslebcns in Deutschland in den Weg legt; denn Deutschland ist der eigentliche Herd eines Europäischen Krieges. So lange es in der gegenwärtigen Ohnmacht bleibt, wird es immer die Nachbarn zu eiuer gewaltsamen Expansion ihrer Nationalkrast reizen, und ebenso in seinem eigenen Innern eine geniale Kraft provociren, die, wie es Friedrich der Große gethan, den unvroductiven Ver- Grenzboten. II. I8SI. 60