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Das Proverbe.
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ist die Schule Victor Hugo's in die wüsteste Rohheit ausgeartet, welche ihren eigenen Urheber unangenehm berühren muß. Es liegt diese Rohheit theils in der geschmacklosen Vermischung aller möglichen Touarten und Stimmungen, die man augeblich aus Shakespeare gelernt haben will, und die sich in der Französischen Sprache noch viel widerwärtiger ausnimmt, als in irgend einer andern, theils in der Neigung zn Abenteuerlichkeiten und Paradvxien, welche die mangelnde Poesie ersetzen sollen, theils iu der knechtischen Hingebung der Dichter an das Virtuosen- thnm der Schauspieler. Alle diese Verirruugen sprechen sich in der kürzlich von uns schon angeregten Valeria aus, welche eigentlich nnr geschrieben ist, nm der Nachel Gelegenheit zn geben, zn gleicher Zeit als komische wie als tragische Schauspielerin zu glänzen. Wenn Scribe dergleichen unternimmt, so weiß er doch immer einigen Geschmack und Zusammenhang hineinzubringen; bei den Voll­blutromantikern aber haben wir nur die grellste» Coutraste mit der traurigsten Trivialität zusammengepaart und das Ganze mit einein massenhaften Costnm über­kleidet; Tyrannen und Buhleriuuen, die sich wie die Wahnsinnigen geberden, nud doch aus keiner solidern Basis ihre Charakterprobleme ansbanen, als ans den schlechten Reminiscenzen aus dem Pariser Jonrnalistenleben. Daß eine historische Paradvxie nicht sehlen darf, versteht sich vou selbst. So wie Victor Hugo die Marion Delorme und ähnliche verkannte Personen rehabilitirte, so soll Plötzlich Messaline als eine tugendhafte und ungerecht verleumdete Heldin erschei­nen, während doch die Geschichte selbst, wenn man einmal dem Drama die Schil­derung von Ungeheuern gestattet, einen viel tragischem Gegenstand geboten hätte. Noch sonderbarer aber macht sich ein solches Unternehmen, wenn man es nicht mit einer historischen Figur, sondern mit der Fictivn eines Romans zn thun hat. So haben iu einem sünfactigen Vaudeville, welches neuerdings im (^mriase ausgeführt' wurde, die Herren Marc Fournier und Barriere versucht, Manon Lescaut, die liederliche, aber liebenswürdige Heldin des bekannten Romans des Abbe Prevost, zu einer moralischen Person umzudichteu uud dadurch die Pointe dieser seltsamen Ersurdnng vollständig umzukehren, und so hat auf einem andern Vorstadttheater unser Teufelsdichter Hoffmann mit mehreru seiner wunderlichsten Erfindungen, dem Rath Krespel, der schwindsüchtigen Antouie mit ihrer Geige und der Automatin Olympia herhalten müssen, durch schauerliche und überschweng­liche Geschichten, die in sein eigenes Leben verlegt werden, die Pariser Popnlace zn ergötzeu. Das Stück, welches den Titel führt: l^es eontes ä<z llossmarm, und von Jules Barbier und Michel Carre verfertigt ist, zeichnet sich noch dadurch ans, daß es zum ersten Mal den Versuch macht, den prosaischen Dialog neben den Alexandrinern hergehen zu lassen. In allen diesen Stücken herrscht eine Bildersprache, die mit ihrer Ungenauigkeit uud ihrem gezwungenen Wesen an unsre romantische Schule erinnert, und die Verbindung der einzelnen Scenen ist i> lose, phantastisch und überschwenglich, daß man niemals recht weiß, ob man