Beitrag 
Wochenschau.
Seite
194
Einzelbild herunterladen
 

194

rend des Belagerungszustandes seineu Schuß hören zu lassen, die Wiener könnten leicht von einer gewissen Neigung zum Pulverdampf ergriffen werden, und so muß selbst die Kirche dem Belagerungszustände weichen, sie, die sonst weder Gott noch dem Teufel weicht. Doch ist bei diesen Ceremonien das Zuströmen der Menschen aller Klassen der Art, daß die Detachemcnts des Herrn Wasz v. Starkenscls, die nun schon um 6 Uhr Abends ihren Streifzug beginnen, die überfüllten Straßen an den Kirchen meiden. Da wandelt nun der deutsche Hut, der sich wieder hcrvorwagt, neben dem seidenhaarigcn Cylinder, dem Csako und der östreichischen Soldatenkappe. Die vielen lichten Uniformen bringen in die schwarze Masse einige Abwechselung, und ihre Zahl ist so bedeutend, daß die Schattiruug etwas stark wird. Man kann annehmen, daß der dritte oder vierte Mann, den man auf Straßen, Plätzen und öffentlichen Or­ten sieht, ein Soldat sei. Die Garnison von Wien dürfte dermalen schon über 30,000 Mann betragen, 'ohne die etwa 2000 Mann starke Polizeimannscbaft, die Gendarmerie und die Municipalgardc. Die Letztere wurde zur Zeit der Revolution geschaffen, als die alte Polizeimannschast uicht mehr vom Volke beachtet wurde, und von dem Gcmeinderathe abhängig gemacht, dem man damals die Polizei unterstellte. Als Dr. Bach, der Barricaden-Szedlnizki, es nicht mehr für gerathen fand, der Ge­meinde eine polizeiliche Gewalt zu überlassen, und es annehmlicher fand, sie selbst zu handhaben, wurde dieses Corps, das übrigens nicht viel taugte, ausgelöst, und nur der Gemeinderath behielt sich eine Sauvcgarde von etwa 150 Mann. So kommt auf jeden dritten Erwachsenen ein Mann in Uniform. Da dieLumpen" (so wird jeder Bürgerliche von den Militairaristokraten betitelt) allerlei zu thun haben, sonach zu Hanse bleiben müssen, und nicht stets herumstreifen können, ist es ganz natürlich, daß diegeregelten Menschen" (nach dem Lexikon Sr. Durchlaucht des F.-M. Windischgrätz nur auf Soldaten anwendbar) die Straßen füllen. Es wimmelt daher aller Orten von Waffcnröckcn aller Farben, von weißen, blauen, grünen und braunen Uniformen, Cscckös, Hüten mit Federbüschen, Pickelhauben, Helmen und Soldatenmützcn aller Art.

Ein Charwochenspcctakel ist den Wienern diesmal entgangen, die Fußwaschung. Der Kaiser geht nach der Sitte durch den von Soldaten uud Garden erfüllten Hof; ein Würdenträger einer Facultät reicht ihm eine Schüssel und einen Schwamm, mit dem er im Vorübergehen die entblößten Füße der Alten streift, die dafür eine Geldbe­theiligung erhalten. Der Monarch soll dadurch zur Demuth crmahnt werden. Heuer unterblieb das Schauspiel, das gewöhnlich den Hosbedienstetcn ein gutes Stück Geld eintrug; sie überließen an Fremde die Fenster ihrer Wohnung, die in den Hofraum der Burg gehen, und erhielten von den Neugierigen, die den Kaiser Füße waschen sehen wollten, ein respectables Trinkgeld. Der Kaiser, hieß es, sei krank, woran jedoch Nie­mand glaubt, und von ziemlich gut unterrichteten Personen wird behauptet, er habe die Reihe von Ceremonien, die der Monarch von Gründonnerstag bis Ostersonntag begehen muß, nicht mitmachen wollen. Es ist auch von einem jungen regsamen Manne kaum zu fordern, daß er Geschmack an jenen mit spanischer Etiquette begangenen Gebräuchen finden soll, die vom Hofe weiland Kaiser Friedrichs und der Königin Jsabelle herrüh­ren. Ueberhaupt soll der junge Monarch kein großer Freund vom Ceremoniell sein, am allerwenigsten aber Neigung für religiöse Gebräuche und Pfaffenthum hegen.

Nicht blos die Kirche Christi, auch das Haus Israel hat in dieser Woche Trauer angelegt. In Jakob wird wehe geklagt und geweint, und das viel ernster als im Dome