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nicht trivial zu werden, ist eine sehr große Kunst, die Wenige verstehen, und die natürliche Folge ist, daß neun Zehntel der Versammlung, wenn nicht gerade ein Hauptredner den Angriff unternimmt, sich eines gelinden Gähnens nicht enthalten können, sobald die deutsche Frage oder dergleichen nur erwähnt wird, ein Factum, das dann die ministeriellen Blätter am folgenden Tage regelmäßig als ein Zeichen der allgemeinen Verehrung, deren sich der Herr Ministerpräsident erfreut, trinmphirend constatiren. Aber selbst der bedeutendste Redner kann bei einer solchen Gelegenheit, wo wirkliche Principienfragen zur Sprache kommen, höchstens aus einen rein rhetorischen Ersolg rechnen, das Resultat ist immer dasselbe und man könnte ebenso gut mit der Abstimmung anfangen. Eigentlich versucht Manteuffel auch nie eine Vertheidigung, man müßte denn ein Paar sentimentale Phrasen, die hin und wieder durch ein mehr oder minder unpassendes Bild verwirrt werden, eine Vertheidigung nennen; die geläufigsten Argumente sind ihm immer, daß eine solche Debatte nur dem Feinde des Vaterlandes erwünscht sein könne, und daß sich ein schwarzes Complot gebildet habe, um die Regierung systematisch herabzuwürdigen. Nur einmal versuchte er sich in einer längern Vertheidigungsrede, bei Gelegenheit der Berathung über den außerordentlichen Geldbedarf der Militärverwaltung und zwar merkwürdiger Weise am Anfang der DiScussion, noch ehe irgend Jemand ihn angegriffen hatte; es war dies "'zwar aus den eben angegebenen Gründen an und für sich höchst gleichgiltig, aber doch immer etwas naiv; fast in dem Genre jenes östreichischen Fähndrichs, der einen Soldaten anfuhr: „Himmelsackermenter, ich weiß halt, was Du denkst; Du denkst, ich bin ä Dummkopf; denkst das noch mal, kommst 1-4 Tag auf die Wacht!" Den Vortheil hatte er damit allerdings, daß er auf diese Weise die Offensive ergriff, und das Manöver war auch wol darauf berechnet, die Gegner zu zwingen, sich mehr zu vertheidigen als anzugreifen; indessen gewann er damit Nichts, da Vinckc, der KouA imä rssc!^ der constitutionellen Partei, die Antwort übernahm, der eigentlich am besten spricht, wenn er rein improvisirt, da er immer mehr durch die frische Unmittelbarkeit seines kräftigen, jeder Nffectation fast bis zu dem entgegengesetzten Fehler abholden Wesens, als durch die künstlerische Behandlung seines Stoffes wirkt, ganz im Gegensatz zu Simson, der selbst seinen Improvisationen immer eine gewisse .künstlerische Abrundnng und eine elegante, mitunter etwas gesuchte Form zu gebe» weiß. Bei jener Gelegenheit war es auch, wo der eigentliche Führer der Rechten, Gras Ar- nim-Boitzenburg mit einer Rede austrat, die man wol als einen vorbereitenden äisoours- mmistrs betrachten konnte! unter dem Anschein einer Vertheidigung der Manteuffelschcn Politik lehnte er doch jede Solidarität seiner Partei mit den Erfolgen dieser Politik sehr bestimmt ab, indem er zugleich eine ausführliche Apologie seiner tant soit pgu revolutionären ministeriellen Vergangenheit daran knüpfte; denn bekanntlich hat der edle Graf seiner Zeit den Ausspruch gethan, daß man, um Revolutionen zu verhüten, der Bewegung immer um einen Schritt voraus sein muß, eine Ketzerei, die er jetzt, wo die Bewegung rückwärts geht, so durchzuführen sncht, daß er immer nicht blos einen, sondern mehre hundert Schritte vorauseilt. An parlamentarischer Gcwandhcit ist Arnim Herrn von Manteuffel natürlich unendlich überlegen; wer von Beiden aber die am wenigsten liebenswürdige Erscheinung ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Manteuffel ist, abgesehen von seiner vorzugsweise burcaukratischcn Anlage und Bildung ein sentimentaler Bourgeois, der immer darauf ausgeht zu rühren; bei Arnim als Parlamentsrcdner hingegen sind aristokratische, rabulistische und polizeiliche Elemente auf eine Weise verschmolzen,