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Eugen Scribe : die Mährchen der Königin von Navarra.
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den Nationalgarden und den Bureaux u. s. w. iu ziemlich derben Späßen charak- terisirt uud durch einige eingestrente Chansons, durch ein paar nnbcdentende Lie­besabenteuer und dergleichen gewürzt; oder es ist auch geradezu die Chauson, die man als den eigentlichen Ausgangspunkt der Handlung betrachten muß, uud au welche sich die Scenen selbst wohl oder übel anreihen. Auf unserm deutschen Theater haben wir von dem französischen Vcmdeville keiuen rechten Begriff. Wir haben zwar Stücke mit eingestreuten Liedern, aber dieses rasche Uebcrgehen aus dem Sprechen ins Singen und umgekehrt, auch mitten in der Verwickelung der Intrigue, mitten in dem Drangen der Leidenschaft, ist u»s doch fremd geblieben. In der Negel hat man daher bei einer Bearbeitung ins Deutsche den prosaischen Dialog an die Stelle des Gesanges gesetzt. Ja diesen leichtern Vaudevillcs läßt sich Scribe mit Kotzebne vergleiche»; Beide sind gleich srnchtbar und erfinderisch, aber Scribe hat doch einen großen Vorzug: er redet eine gebildete Sprache und ist zu sehr Franzose, um bei irgend einem Argument in eine allzn weinerliche Sentimentalität zu verfallen. Auch seiue rühreudeu Stosse werdeu mit einem gewissen Anstand behandelt. Viele von diesen kleinen Possen sind für eiueu bestimmten Darsteller oder eine Darstellerin geschrieben, uud es kommt Scribe gar nicht darauf an, den Somnambulismus oder körperliche Gebrechen, wie Blind­heit und Taubheit, zu zierlichen Tänzerpas zu verwerthen. Aber bei diesen leicht hingeworfenen Skizzen läßt man sich das gefallen; es sind immer nur äußerliche Abenteuer, an eine psychologische Benutzung dieser mysteriösen Zustände, welche die eigentliche Romantik in dergleichen Fällen unerträglich macht, denkt er niemals.

Zwar hat er auch uvch in den spätern Jahren eine Reihe derartiger Skizzen geschrieben, im Allgemeinen aber tritt in den spätern Vaudevillcs immer eine mehr künstlerische Ausführung ein. Ich erwähne ein Paar seiner besten: I^orüss orr 1a. rsparallon (1829); Oscar, 1<z mcu'1 czui lrompcz sa ksmms, und Ac>L, c>u 1'aiQ-rnt xrsts. Zuweilen wird eine sehr ernsthafte Geschichte mit Chansons ausgestattet, was uus freilich sonderbar vorkvmmt; doch weiß er anch hier' Grazie und Energie geuug hereinzubringen, nm nicht in die eigentliche spieß­bürgerliche Mistre zu verfallen. Zu den besten dieser Stücke gehören vno tauts (1830); IVlalvma, ou Is marurM ä'inLluralloQ, lös malkeurs ci'ml amcm!, Körrrsrrx (1833), uud 1a, ?ami11o Kiciuebcmrss. Der Kuriosität wegen erwähne ich noch den KoclolzM, eine Bearbeitung der Göthe'schen Geschwister (1823), die übrigens in vieler Beziehung das Vorbild übertrifft.

Es versteht sich von selbst, daß in diesen Vaudevillcs von einem höhern künstlerischen Werth nicht die Rede sein kann. Es ist leichte Waare, auf ein günstiges Publicum berechnet, zum Theil für eiueu einzelnen Virtuosen eingerichtet, der in einem bestimmte» Genre sein Talent bewähren soll; an eine genauere Charakterzeichnung ist nicht zu denken, da das Komische nur in den Situationen liegt, und da bei dem epigrammatischen Zusammendrängen derselben selbst die Regel

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