Die Grenzboten
Politik, Literatur und Kunst
81. Jahrgang, 10. Juni 1922 Nummer 22
Zusammenbruch und Wiederaufstieg vor hundert Jahren.
Eine Bonner Rede.
Von FritzKern. (Schluß.) IV.
Es ist Napoleon zum Verhängnis geworden, daß er die Technik seiner Erfolge vornehmlich an den Deutschen ausgebildet hat.
Als 1808 ganz Spanien, das arme, mißregierte, zurückgebliebene Spanien sich gegen die Politik Napoleons wie ein Mann erhob, rief der liberale Oppositionsführer Sheridcm im englischen Unterhaus: „Bis jetzt hat Napoleon mit Fürsten ohne Würde, Truppenzahlen ohne Begeisterimg, oder Völkern ohne Vaterlandsliebe gerungen. Er hat noch zu lernen, was es heißt, ein Volk zu bekämpfen, das von Einem Geist gegen rhn beseelt ist."
Spanien hat der damaligen Welt die elektrisierende Lehre erteilt, daß auch andere Völker als das svanzösische durch nationale Opferkraft Großes vermögen. Diese Lehre war für die Deutschen beschämend, aber nicht vergeblich. Zugrundegegangen ist Napoleon zuletzt doch weder an Spanien noch an Rußland, vielmehr an Deutschland. Er hatte es nicht zu begreifen vermocht, daß die Deutschen gerade durch die 1^ Jahrzehnte, in denen e r sie in die Schule nahm, ihr Wesen ebenfalls ändern mußten. Schon im Krieg von 1809 konnte er die Wandlung spüren. Der abgelegenste, zurückgebliebenste der deutschen Stämme, die Tiroler, lieferten ein deutsches Spanien. Die Bauern, die dreimal Innsbruck befreit haben, kämpften freilich kaum gegen die Franzosen, sie kämpften gegen den Bruderstamm der Bayern sür Väterglauben und Väterrecht, sie kämpften mit der Dummheit und Feigheit der ihnen zur Hilfe geschickten Wiener Hofburggeneräle für den schönen, trügerischen Glauben an den Kaiser Franz. Aber von den letzten, ärmsten Deutschen aus den Bergen um Meran ging damals, wie 40 Jahre später aus dem abgelegenen Winkel der Schleswigholsteiner Marsch und Geest die den Deutschen selbst überraschende und beglückende Wendung aus: ein Kampf um die Heimat, der nicht Lösung vom deutschen Stammland bedeutete, wie der Freiheitskampf der