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Bibliophilie und Buchkultur.
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B?ale erschienene Jahrbuch der Sammlung Kippenberg ist bestimmt, die Kostbarkeiten der Bibliothek der Forschung allgemein nutzbar zu machen.

Diese Bibliophilen sind es, die es verstanden haben und verstehen, die Seele des Buches aufzusuchen und den Geist vergangener Zeiten in ihrer Bücherei wieder aufleben zu lassen. Mit ehrfurchtsvollen Gefühlen vertieft sich ein solcher Sammler in ein Exemplar der Erstausgabe des Werther, das, als es neu war, in der Hand eines liebes- und leidesseligen Jünglings oder Mädchens gelegen haben mag, die über dem herzblutenden Buche heiße Tränen vergossen haben, oder er läßt sich von dem leiden­schaftlichen jungen Schiller grüßen, der sein Räubcrdramain t^ranoos" chleudert, oder seine Augen leuchten auf über einem Buche, in das Goethe elbst eine Widmung geschrieben hat. Ein geschmackvoller Bibliophile wird ich jedoch in seinem Sammeln immer beschränken, wenn er auch je nach einen Geldmitteln seine Grenzen enger oder weiter stecken kann. Er wird ich entweder auf einen bestimmten Autor oder auf eine bestimmte Gattung von Schriften beschränken, oder er wird etwa naturwissenschaftliche oder alte technische Bücher oder Bücher mit Kupsern von Chodowiecki und feinen Zeitgenossen sammeln, oder irgendeinen andern Gesichtspunkt je nach Geschmack und Neigung walten lassen erotische Feinschmeckerei nimmt in der Bibliophilie einen breiten Raum ein in jedem Falle wird er nur das kaufen, wozu er wirklich ein inneres Verhältnis hat; und nicht wahllos erraffen, was ihm gerade einigermaßen billig vor den Wurf kommt. Und wenn dann eiue solche Sammlung beisammen ist, dann sehen wir immer wieder mit Staunen, welche hohe Buchkultur in all diesen Seltenheiten steckt, seien es nun die typographischen Meisterwerke der Frühzeit, seien es die Kunstwerke eines Druckers wie des Venezianers Aldus Mauritius, der selber noch zum Teil in die Jnkunabelzeit gehört, seien es die Holzschnitt-Titel der Lutherdrucke und Flugschriften der Neformationszeit, oder die Erzeugnisse der berühmten Häuser Plantin- Moretus in Antwerpen oder Elzevier in Leiden und Amsterdam, oder seien es die Büchlein des 18. Jahrhunderts mit den köstlichen Kupferstichen von Chodowiecki, Meil und anderen, oder die fchönen, in der unübertroffenen Ungerfraktur gedrucktenRomantikerausgabenmitden reizvollenJllustrationen von PH. O. Runge, Friedrich Tieck, dem Bruder des Dichters Ludwig Tieck, und Emil Ludwig Grimm, dem Bruder der beiden Germanisten Jakob und Wilhelm Grimm und ersten Illustrator ihrer Kinder- und Haus­märchen, bis dann all diese reizvollen und anmutigen Gebilde im süßlichen Gartenlaubenstil der Verfallszeit rettungslos ertranken.

Dieser im wesentlichen auf den Inhalt zielenden älteren Richtung der Bibliophilie steht eine mehr formale neuere Richtung gegenüber, die den Hauptwert nicht auf das Alter und die inhaltliche Bedeutung, sondern auf die Schönheit des Buches legt und den Schwerpunkt ihrer Sammeltätigkeit im modernen Luxusdruck hat. Es war vor etwa dreißig Jahren, als eine neue Geschmackswelle besruchtend über das deutsche Geistesleben kam, als die schauderhaften Goldschnittbändchen und Prachtwerke, die auf den Sal6n- tifchen unsererguten Stuben" herumlagen, zu verschwinden begannen, als die Gesellschaft der Bibliophilen und die Zeitschrift für Bücherfreunde begründet wurden. Es dauerte nicht lange, so-verkündeten die Zeitschriften Pan" undInsel" das Ideal einer neuen Buchkunst. Das Buch wurde wieder zum Kunstwerk, und es lohnte sich wieder, auch moderne Erzengnisse