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Tanzkunst :
(Vergl. Nr. 8 vom 25. Februar.)
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nachgeahmt werden, ohne daß es jemand verbieten könnte. Das Gesetz schützt allerdings pantomimische und choreographische Darbietungen, über nicht als solche, sondern nur die schriftliche Fixierung dieser Schöpfungen. Eigentliche Tänze aber lassen sich mit erklärender Beschreibung schriftlich nicht festhalten und eine für den modernen Tanz allgemein angewandte Tanznotenschrist besitzen wir noch nicht nud so ist der Kunsttang so gut wie vogelfrei. Wenn wir erst eine unter den Tanzschöpfern verbreitete, wirklich anwendbare Nieder­schriftsmöglichkeit tänzerischer Gebilde haben werden, wird man das Urheber­recht auch auf Schöpfungen dieser Kunst ausdehnen müssen. Augenblicklich arbeiten an einer solchen Fixierung unabhängig von einander der Tänzer und Tanzpädagoge Rudolf von Laban in Stuttgart und der Tanzkomponist Jacip Kool in Berlin! es wäre Mi wünschen, daß beide, damit hier nicht unnötige Kraft vertan würde, das, was sie bisher fanden, austauschen und so wenn das möglich ist zu einer gemeinsamen Verfolgung dieses für den modernen Tanz so überaus wichtigen Ziels gelangten. Denn erst eine wirklich anwendbare Tanzniedvrschrift wird die Errungenschaften des modernen Kunst­tanzes festhalten und kultivieern tönnem und zu einer folgerichtigen, einheitlichen Wciterarbeit veranlassen, wie es die um 1700 für das Ballett von dem Franzosen Feuillet geschaffeneChoreographie" bewiesen hat, die zum Teil bis heute ange- wendet wird, aber für den modernen Tanz, da sie nur Fortbewegung gibt, nicht verwendbar ist.

Mit dieser auf persönliche Weitergabe gestellten Erziehung des jungen Tänzers hängt zweierlei zusammen: daß wir eine beträchtliche Anzahl sehr verschieden gearteter T a n z l e h r s ch u l e n haben und daß wir im modernen Kunsttanz über das Duett hinaus erst zu verschwindend geringen Ansätzen zrmi Gruppentanz, der die Stärke des Balletts ausmachte, gekommen sind. Diese Situation erhöht die Uneinheitlichkeit des modernen Tanzes: er ist aus der iiMvidnalistischen, dezentralisierenden Epoche noch nicht herausgekommen. Die der modernen Tanzkunst gemeinsamen, elementaren Vorübungsstadien sind noch nicht allgemein verbindlich anerkannt und geklärt. Nur wenige, an ihrer Spitze Rudolf von Laban, haben einen elastischen Entwicklungsgang zum Tanzkunst­werk erdacht, der ausbauend auf körpertechnischer Uebung. Ausdwuckskultur, Raumgefühl, Spannung und Impuls zu einer Kompositionslehre führt, die Voraussetzung und Bereitstellung zum Schaffen eines Tanzes ist. Viele begnügen sich mit der Lehre ganz äußerlicher Bewegunigen, andere bcmen rein auf dem Atmen auf, wieder andere sehen in Ausdrucksplastik die Vorbedingung für Tanz. Bei dieser mangelhaften oder einseitigen Vorbildung werden dann auch die Tänze ebenso mangelhaft und einseitig und erfüllen nicht die Forderungen, die an das Rarmrbewegungskunstwerk zu stellen sind. Ueberdies glauben immer noch viele, daß der moderne Kunsttanz mit ein paar Bewegungen übler die Uebung des Balletts hinaus oder durch Beimengung theatralischer oder pantomimischer Elemente erreicht sei. Ganze Schulen Verbveiten diesen Widersinn, indem sie den Schüler erst in der Ballettechnik (damit er doch eine anerkannte Technik habe) schulen und ihm dann einige gebärdliche Ausdrucksposen beibringen.

Versuche zu Gruppentänzen sind verschiedentlich gemacht worden: Rudolf von Laban pflegt sie schon seit langem mit seinem ausgesuchten Schüler­material und hat jüngst in Mannheim und Stuttgart bedeutende Beweise für die Möglichkeit des modernen Gruppentanzes gegeben. Auch Mary Wigmau, deren TanzdichtungDie sieben Tänze des Lebens" (Diederichs, Jena) vor kurzem in Frankfurt a. M. ausgeführt wurde, strebt mit gutem Erfolge der