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hat, so fühlte den Zusammenhang zwischen bürgerlicher und nationaler Freiheit fast 'noch tiefer der Fveiheitsd-ichter Schiller, der von der Karlsschule her gegen die Tyrannen des absolutistischen Staates glühte und dem bis zuletzt eng im (monarchischen) weiten Land gewesen ist, denn
,/die's bebauen, sie genießen nicht
den Segen, den sie pflanzen/' (Tell V. 1799 bis 1815.)
Schiller hat auch eine echt natinrechtliche Abneigung gegen die Macht- Politik der Staaten. Sie verdirbt die schlichte Geradheit des Menschen. Schlosser und Burckhardt können sich mit ihren: „Die Macht ist cm sich selbst böse" auf Schiller berufen. Es ist für den heutigen Deutschen mit wehmütigen Empfindungen gewürzt, daß Schiller die Befreiung gerade eines deutschen Stammes vom Mutterland weg verherrlicht, und daß der schwäbische Dichter den alenmnnischen Landslenten das Idealbild ihrer gerechtfertigten und verklärten Abtrennung von den Stammesbrüdern geschenkt hat. Was der sinstere Albrecht 1397 durch seine Landvögte getan hat, das war ja nichts anderes als die rauhe, schikanöse Aufrichtung eines wirklichen Staates, wie sie gleichzeitig und schon vorher mit besserem Erfolg der französische oder der englische König mit ihrem erbarmungslosen Beamtentum in ihren Ländern vollbrachten, zum Seufzen der Zeitgenossen und zum Dank der Nachwelt ihrer Völker. Das Gebot der Zeit war damals die Einigung der Nation unter Zerbrechung der feudalen Zwischengewalten und jener falschen Freiheiten der Stände, von deren Nudenz treffend sagt:
„Den Kaiser
Will man zum Herrn, um keinen Herrn zu haben," (V. LOS s.)
Im Kampf gegen die rückschrittliche, anarchische deutsche Libertät hatte Gehler die geschichtliche Gerechtigkeit auf seiner Seite, wenn er Rudolfs des Harvcis Einwand
„Das Volk hat aber doch gewisse Rechte", mit der Gegenbemerkung abschneidet:
„Die abzuwägen ist jetzt keine Zeit:
Weitschicht'gc Dinge sind im Werk und Werden;
Das Kaiserhaus will wachsen; was der Vater
Glorreich begonnen, will der Sohn vollenden.
Dies kleine Volk ist uns ein Stein in: Weg. —
So oder so: es muß sich unterwerfen. (V. 2726—2732.)
Das Verfahren Albrechts ist kein anderes, als welches in der Unterwerfung der Sondergewalten der Jsle dc France oder der Mark Brai^denburg mit Recht als höchstes nationales Verdienst der Kapetinger odier der Hohenzollern gefeiert wird. Freiheit, wo immer sie sei, ist stets durch Blut der Heroen erstritten worden. Aber nur der Erfolg, daß die Schweiz ein eigener Staat geworden und geblieben ist, hat in diesem Fall den siegreichen Bekämpfern der Fürstengewalt die Verehrung ihrer Nachkommen gesichert, wie im umgekehrten Fall den siegreichen Landesherren. Eine fortschrittliche, rechtserueuernde, revolutionäre Idee beseelt die Schweizer nicht, sondern das typische mittelalterliche Widerstandsrecht, das alte Partiknlargewohnheiten und Sonderprivilvgien wiederherstellt, wie dies Schiller als großer Geschichtsschreiber wundervoll in der Rütliszene, V, 1354—1376, wiedergegeben hat.
Aber Wenn es auch ein Kennzeichen unsrer vielgekrüiumten, verlustreichen, nationalen Entwicklung bleibt, daß Schiller einen Freiheitskcimpf nicht von