daß in den sachlichen Beratungen wirtschaftlicher Natur und den von Deutschland gegebenen, gründlich erläuterten und belegten Aufklärungen ganz von selbst Zusammenhänge aufgedeckt werden, die Frankreichs leidenschaftliches Bemühen, die Reparationsfrage fern zu halten, in ein höchst ungünstiges Licht stellten.
Unter solchen Umständen mußte die Ueberraschung, die die deutsche Abordnung den Konferenzteilnehmern am Ostersonntag durch den Abschluß eines Staatsvertrages mit Sowjetrußland bereitete, besonders stark wirken. In dem Augenblick, da wir diese Zeilen schreiben, lassen sich über die Lage und die nächsten Folgen dieses Schrittes noch keine bestimmten Behauptungen aufstellen. Nur das eine läßt sich schon sagen, daß die Aufregung, die durch dieses Ereignis hervorgerufen worden ist, in den Tatsachen nicht gerechtfertigt ist, fondern sich aus der Stimmung erklärt, die sich unter dem mißverständlichen Eindruck der deutschen Haltung gebildet hatte. Die Ententemächte hätten es gern gesehen, wenn die vorsichtige Zurückhaltung und die ruhige Sachlichkeit, die sie als „Wohlverhalten" der Deutschen angenehm und bequem empfanden, ihnen gestattet hätte, in allen Fragen doch schließlich über den Kopf der Deutschen weg zu handeln. Nur unter dieser Boraussetzung ließen sie es sich gefallen, daß sich auf die Häupter der deutschen Delegation ein gewisses Wohlwollen dvr früher so feindselig gestimmten Völker herabließ. Unsere Delegierten aber haben berechtigterweise die Grenzen ihrer ans der Konferenz beobachteten Taktik erkannt und danach gehandelt. Trotz Versailles hat Deutschland nicht auf alle Souveräuitätsrechte der- zichtet; es ist in der Lage, Staatsverträge abzuschließen, die seinen Verpflichtungen aus dem Versailler Vertrage nicht widersprechen. Daß es einen solchen Vertrag geschlossen hat, der allerdings sehr wenig den Wünschen der französischen Politik entspricht, weil die Verständigung zwischen Deutschland und Rußland den Franzosen ein erhofftes Druckmittel gegen Deutschland aus der Hand nimmt, wirkt natürlich verblüffend in dem Augenblick, wo die Entente uns ganz an der Kette zu führen glaubte und es fchon als ein außerordentliches Gnadengeschenk betrachtete, daß sie uns innerhalb der von ihr gesteckten Grenzen mitzureden erlaubte. Abgesehen von diesem Gesichtspunkt,' der nur die böswilligen Absichten und feindseligen Ziele der Entente gegen uns verrät, ist die Ausregung über den deutsch-russischen Staatsvertrag um so lächerlicher, als er nur Deutschland und Nußland angeht und die Interessen anderer Mächte — nicht einmal die der dazwischen liegenden Randstaaten, soweit sie loyal sind — gar nicht berührt. Und weiter wird mit Recht daran erinnert, daß, wenn Deutschland und Rußland ihre Sonderverhandlung sozusagen unter den Angen oder „hinter dem Rücken" der Genuakonferenz vorgeworfen wird, die Ententemächte selbst ihre Verhandlungen mit Rußland in den Fragen, die doch sogar einen Teil des Konferenzprogramms ausmachten und Deutschland nahe angingen, in Sonderbesprechungen mit den Russen unter Ausschluß Deutschlands geführt haben. Die Art, wie Frankreich die Note der Reparationskommission vom 21. März gerade in die Zeit der Genueser Verhandlungen hineingeschoben hat, als ein neues Mittel, uns zu Un- kovrektheiten zu verleiten oder zu bedrohen, — wie man uns neue Sanktionen in Aussicht stellt, während man mit uns am Verhandlungstisch sitzt, nimmt der Entente vollends jedes Recht, unser Verhalten zu tadeln.