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Die Erlösung der „Perle".
Von Fritz Kern.
Daß zwischen Fleisch und Geist, zwischen dem natürlichen und dem vergeistigten Teil der Menschenseele ein Gegensatz bestehe, der auch als Kampf zwischen Sünde und Gnade, zwischen Tod und Leben erscheint — dieser Gedanke ist durch Paulus an sichtbare Stelle des christlichen Ideenkreises gestellt, es hat sich gerade an ihm die eigene religiöse Kraft der großen Beweger abendländischer Frömmigkeit, wie Augustin oder Luther, entzündet. Die Herkunft dieser großen Idee, die Paulus mit der Gestalt eines persönlichen Erlösers verknüpft, ist lange Zeit im Griechentum, insbesondere im Platonismus gesucht worden, doch ohne befriedigendes Ergebnis. In unseren Tagen wird nun bis zur Gewißheit deutlich, daß es die altpersischee Frömmigkeit und Spekulation, insbesondere die im Lande Zarathustvcis nach ihm blühende voAstiimlich-asketische Mystik gewesen ist, welche allein diesen großartigsten dualistischen Glaubensgedanken dem Abendland geschenkt" hat. Mehr und mehr wächst die Spekulation der arischen Immer als tiefstes und reinstes Religionssystem des Altertums vor den Augen der Religionsforscher wieder empor. So wie diese — seltsam mit moderner Natur- und Seelenevkenntnis sich berühende — dualistische Ur-Erkemntnis der Perser sich auf babylonischem Boden erhalten und mit 'hellenistischen wie nnt semitischen Glaubensvorstellungen verbunden hat, so weckte sie durch Paulus' Vermittlung die christliche Frömigkeit in der innerlichsten Form der Erlösung durch Seelenentwicklung und Seelenkamps.
Diese Zusammenhängen werden auch dem Laien deutlich, wenn aus den neuentdeckten Urkunden einer nachchristlichen persischen Sekte, der Manichäer, das alte iranische Gedankengut herausgeholt wird, wie es soeben der erste lebende deutsche Religionssorscher R. Reitzenstein in einem zwar für den Nichtgelehrten schwer lesbaren, doch an lebendiger Kul-tur- bedeutung unschätzbaren Werk getan hatAn diesem Ort, wo eine Dar- Bonn, Morcus u. Weber 1921. M. 45.—.
legung der gelehrten Gedankengänge des Forschers unmöglich ist, darf und muß um so mehr eine Ahnung von ihrem Ertrag gegeben werden.
Nur als Bruchstück erhalten, aber auch als solches ergreisend, ist das altpersische Zwiegespräch des Erlösers Zarathustva mit einem in den Banden der Materie liegenden Geist, der nach seiner Befreiung selbst zum Erlöser anderer Seelen geworden ist.
Zarcithustra: „Schüttle ab die Trunkenheit, in die du entschlummert bist, Wach auf und siehe auf mich! Heil über dich aus der Welt der Freude, Aus der ich deinetwegen gesandt bin."
Nun antwortet der ursprünglich aus dem Lichtreich entstammte, aber aus der Heimat in das Dunkel der Materie Gesunkene; er antwortet „dem, der ohne Leid ist":
Das iranische Erlösungsmysterium. Religionsgeischichtliche Untersuchungen.