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Das Militär als Erzieher?
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Jgnaz Wrobel

Das Militär als Erzieher?

Von Jgnaz ZV r o b s l

Mitarbeiter der unabhängigenFreiheit"

Der Krieg hat Pazifisten gemacht: mich hat er in meinen pazifistischen An­schauungen, mit denen ich meine Soldatenzeit antrat, bestärkt und mich in die Lage versetzt, die bereits im Jahre 1313 geäußerten Thesen nunmehr durch die Er­fahrung bestätigt zu sehen.Das System der deutschen Militärerziehung stammt ans dem achtzehnten Jahrhundert und war damals uncthisch, aber sicherlich prak­tisch. Es ist heule überholt Und kann sich weder vor dem Philosophen noch vor dem Volksbildner sehen lassen.

Die vielgcrnhinte Anslöschung der Individualität, die sich beim deutschen Untergebenen mit dem Eintritt in den Heeresapparat vollzog, stellt, vom ethi­schen Standpunkt aus betrachtet, das Niedrigste dar, das denkbar ist. Die voll­kommene Unfähigkeit der militärischen Pädagogen, mit den Persönlichkeiten, die sie in die Hand bekamen, etwas anzufangen, brachte notwendig eine Schule her­vor, die die Schüler erst einmal zu vollrommeuen Nullen umformte, um dann die leeren Blätter neu zu beschreiben. Diese Versündigung am Menschen wurde nicht ungestraft betrieben, denn die mit der Plempe verjagte Natur kam eilends zurück, und so entstanden die schlimmsten Differenzen in der Seele des einzelnen. Das System fingierte eben immer noch die Existenz von Berufssoldatenvon den laugen Kerls" konnte man die völlige Hingabe an ihren bezahlten Lebensberuf erwarten ^ was den Uhrmacher Schulz veranlassen sollte, seine gesamten Zivil- auschauuugen an den Nagel zu hängen, bleibt ein unerfindliches Geheimnis derer, die zeit ihres Lebens nicht ans der Kaserne herausgerochen haben. Das System basiert zugleich auf der ungeheuerlichsten Mcuscheuverachtung, die die Welt gesehen hat. Auch das ist zum guten Teil historisch zu erklären. Der alte preußische Landadel hatte seine Souveränität Stück für Stück an den König von Preußen abgegeben und wurde vou diesem dafür durch eine gehobene Stellung im staatlichen Gemciuschaftswesen entschädigt. Dazu, gehörte die Reservierung "der Offiziers­stellen, und wenn man die damals starke Kluft zwischen dem Adel und den her- gelaufcueu und gepreßten Kerls berücksichtigt, so kann man verstehen, daß von einem gesellschaftlichen Verkehr zwischen Offizier und Manu nicht die Rede sein konnte, ja mehr, daß die Dienstjahre dem Offizier die Ueberzeugung einflößen mußten, von Natnr ans seine Untergebenen in allen Stücken zu übertreffen.

Dieses durch und durch unethische System hatte den Vorteil der Bequemlich- keit. Der Offizier hatte es, besonders nach Einführung der Wehrpflicht, weniger und weniger nötig, seine Stellung etwa dauernd mit jener Quantität Energie zu behaupten, die ihn die Erlangung gekostet hatte: snß er erst einmal im Sattel, dann genügte es, wenn er recht und schlecht seinen Dienst machte, sich den An­schauungen seiner Kaste nicht widersetzte nnd keine silbernen Löffel stahl. Dagegen hatte er es nicht nötig, Tag für Tag durch ausgezeichnete Leistungen und ange­spannteste männliche Superiorität seineu Untergebenen zu beweisen, daß er der Vorgesetzte war. Sie konnten ihm nicht jedeu-Tag weglaufen, wie eine Horde Landsknechte, über die die weichende Autorität eines nachlassenden Führers nicht mehr Herr wird. Sie waren Untergebene und damit fertig. Sie waren es ein für allemal und hatten auch niemals die Aussicht, emporzurücken.

Dieses unsittliche und bequeme System mochte bis zum Maschinenzeitalter ausgereicht haben. Es hat heute iu der Welt ausgespielt und kaun aus den besten und anständigsten Motiven heraus geliebt uud verehrt werden: sein Niedergang ist besiegelt. Denn die Art des Militärs, Menschen zu erziehen, ist, wie sich im Kriege allenthalbeu gezeigt hat, unpraktisch. Wenu die deutsche Mannschaft für einen Offizierdurchs Feuer ging", so geschah das nicht seiner Achselstücke Wege», son­dern seiner Persönlichkeit wegen. Gerade ein solcher hatte also seine Führer-

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