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Das Kriegserlebnis
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Das Kriegserlebnis

Bewegungen des Exerzierens rasch und sauber ausgeführt. Ein alter Soldat, Leutnant der Landwehr, kam zu mir, g ib mir anerkennend die Hand und sprach: Nur so weiterI", als mir die scharfe Stimme eines Oberleutnants, der übrigens seinem Zivilberuf nach als Oberlehrer Voltserzieher hätte sein müssen, ins Ohr gellte und mich heranrief.Alles schön und gut, Feldwebel, aber sie sollen kein unnötig Wort sprechen, sollen eidkalt, eiskalt sein und Distanz wahren." An diesem ver­fluchten Distanz wahren ist das Heer zugrunde gegangen, hier konnte jeder Hebel der Kritik ansetzen und so unheilvoll wirken, wie wir's erlitten haben. An diesen falschen Führergeist knüpften sich, Glied um Glied, die zersetzenden Gewalten und so ist nur denn dies das wesenhafteslc Kriegserlebnis geblieben, daß es darauf ankommt, eins neue Führers ch i ch t zu bilden.

In anderen Dingen ist's mir und manchem meiner Freunde besonders seltsam gegangen. Es ist sicherlich notwendig, daß man sich damit auseinander­setzte, ob das Granen der Schlacht (angstfrci ist keiner gewesenI) und der Krieg überhaupt zu rechtfertigen sind; aber diese Kämpfe haben wir erst durch­litten, als wir wieder daheim waren. Gewiß hab' ich unter Wandervögeln und Freideutschen und mit den prachtvollen Wuppertaler Eigenbrötlern in meiner Kompagnie in Stunden der Nuhe, im Graben oder in den Barackenlagern wie Jakob mit dem Engel gerungen um die Ideen der Volkwerdung. wir haben, wie der Kriegsfreiwillige Richard Dchmel,zwischen Volk und Menschheit" gestanden und uns, immer mit dem Gewehr in der Hand, den schimen Wunsch­bildern ewigen Friedens nicht versagt; konnten wir denn wissen, daß einmal deutsche Vol!sboicu unterschreiben würden, wir hätten die alleinige Schuld am Kriege? Wir dachten halt, wenn wir wieder zu Hause wären, dürsten wir Wohl solche Fragen zu Ende denken; vorher sei es nicht gut. Und wie wir damals, die Waffen in der Hand, nicht daran dachten, sie wegzulegen, sollen wir heute, wo sie uns aus der Hand geschlagen sind, nicht daran denken, sie wieder zu ergreifen. Es ist mir eine, bittere Überzeugung, die darum nicht an Kraft verliert, weil sie sicherlich verallgemeinert,' daß keiner von der materialistischen Generativ», die vor dem Kriege in Deutschland geradezu gewütet hat. und nur wenige von der neuen deutschen Jugend, die der mutige Schriftleiter dieser Zeitschrift schon so nah und groß sieht, die reine Hand hat, eine reine Wa^e zu ergreifen. Wir sind alle angefressen vom Pesthauch einer Zeit, die den Menschen zur Maschine macht und werden dadurch sühnen, daß wir. wie Moses, ewig vor dem gelobten Land stehen bleiben und erst für die Enkel erhoffen dürfen, was wir selber haben möchten: ein Vaterland, das jeder seiner Söhne inbrünstig so nennt; eine Gemeinschaft, iu der nicht Standesvorurteile und Klassendünkel entscheiden, sondern der Herzensbeitrag an der allgemeinen Sache; eine Führerschicht, die, indem sie schon in kleinen Verhältnissen Idee und Wirklichkeit reinen Herzens cmszuwägeu versteht, dem großen königlichen Führer die Bahn bereitet; eine Verfassung, die, vielleicht weil sie ungeschrieben und darum ewig gültig bleibt, der Wirtschaft und der Politik die würdigen Stellen dienender Kräfte anweisen wird, um den Herrscherplatz den Gewalten des deutschen Gemütes anzuweisen. Das soll alle durchleuchten und die Werke eigenwüchsiger Kunst erschaffen, an denen unsere Enkel ablesen werden, wie grauenhafte Not, (vom ewigen Leid der Welt abgesehen), sieghafte Freude gebar.

Der Kämpfer in zeitlos grauer Tracht wird den Enkeln das Bild des ewigen deutschen Menschen sein, der. zum Selbstopfer bereit wie Christus und zum Kampf bereit wie die heidnisch-germanischen Göttergestalten, die unabänderliche Wesensmischung unseres Volkes darstellt.

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