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Bürokratie!
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Bürokratie!

Bürokratie!

Von Regierungsbanrat Alfred Bach

Bei dem Finanzelend, in dem sich Deutschland seit dem Novemberznsammen- bruch 1918 in unaufhörlichem Fortschreiten befindet, haben in den jüngst ver­gangenen Wochen zwei innere Erscheinungen alle Gemüter lebhaft bewegt. Das sind die neuen Beamtenbesoldungszahlen und das Kreditangebot der Industrie. Die neuen Gehaltsforderuugeu scheinen uns finanziell noch mehr zn belasten, während das Angebot der Jndnstriekredithilfe einen Ausweg zum Aufstieg, zur Gesundung unse­rer Finanzen sein will. Was auf der einen Seite den Beamten gegeben wird, soll auf der anderen Seite durch die Forderung der Industrie nach Reform der Verwaltung in die richtigen Kanäle volkswirtschaftlich geleitet werden. Hier be­gegnen sich Industrie und Beamte auf gleichem Boden, beide wissen genau, daß eine Reform unserer Verwaltung, die nach Art kaufmännischer Äetriebsführung nicht den Wert auf dauernde Überkontrolle, sondern auf produktive Auswertung, der Arbeitskraft legt, dem Reiche ungezählte Millionen erhalten wird. Aber die Reform darf nicht ans dein Verordnnngswege von oben erfolgen, wie das jetzt noch immer beliebt ist, sondern muß nach Gehör anch der Vorschläge von unten, vor allem nach Prüfung und Besprechung solcher Vorschläge erfolgen.

Die deutsche Beamtenschaft scheidet sich im großen in zwei Lager, auf der einen Seite die reiu formalverwaltnngsmäßige, juristisch-kameralistische Denkweise, ans der anderen Seite die kaufmännisch-wirtschaftlich technische Denkweise. Die erste verfügt noch, dank ihrer längeren Lebensdauer im Staat, über die Macht, sie stellt die sogenannte Bürokratie dar, die andere, welche vor allem im Privat­leben, groß geworden ist, ist im Staat noch nicht zn gebührendem Einfluß gelangt, kämpft und ringt heiß, um auch im Staate technisch-wirtschaftlicher Denkweise zum Durchbruch zn verhelfen - - leider wieder einmal ohne Erfolg, wie in nachstehen­dein im besonderen noch nachgewiesen werden soll.

Im Jahre 1919 wurde, dem Reichsschatzministerium uachgeordnet, die 3. Ab­teilung der Landesfinanzümter gegründet, welcher neben dem Verpflegungs-, Bekleidungs- und Nnterknnftswesen der Reichswehr noch die Verwaltung der reichs­eigenen Liegenschaften zugeteilt war. Für letztere Zwecke bestanden Reichsver­mögensämter und -stellen, erstere geleitet durch einen höheren Techniker (Ne- gierungsbanrat). Anfänglich herrschte starke Reibung in diesen Ämtern, weil früher bei der alteu Heeresverwaltung gleichgeordnete Stellen zusammen­geschweißt und eiuem höheren Techniker unterstellt wurden. Diese Reibnngen. wurden überwunden, die Verwaltung hat sich nach und nach gut eingespielt technisch wirtschaftliches Verwalten siegte über die formale Bürokratie. Daß natürlich hier und da Versager eingetreten sind, ist bei der großen Anzahl der Beamten, die wahllos übernommen wurden, kein Wunder. Schwieriger war das Arbeiten mit der btr. Abteilung III der Landesfinanzämter, diese waren, aus den alten Intendanturen hervorgegangen, zn stark mit Beamten im Verhältnis der Nachgeordneten Stellen besetzt und mußten daher durch Anforderungen vonj Tabellen, Nachweisnngen usw. dauernd für Beschäftigung sorgen. Wenn diese Abteilungen etwa auf ein Drittel der Kopfzahl eingeschränkt worden wären, wenn in diesen der Techniker und nicht der meist rein formalistisch denkende ehemalige Jntendanturbeamte gesessen hätte, so wäre noch ersprießlicher gearbeitet worden als schon geschehen ist.

Nun erscheint unterm 29. Oktober 1921 eine Verfügung des Reichsschcitz- »nd Reichsfinanzministeriums, genanntUmstellung der Reichsschatzverwaltung", die den Sieg reinster Bürokratie bedeutet und dem Reiche viele Millionen kostet. Durch diese genannte Verfügung vom 29. Oktober wird diese mühsam geschaffene Einrichtung zerschlagen, eine reine Liegenschaftsverwaltung und eine reine Bau- verwnltung geschaffen, erstere unter vorwiegend juristischer, letztere unter tech-

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