Heft 
81 (1922) 81. Jahrgang.
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Die Grenzboten

Politik, Literatur und Uunst

85. Jahrg., 4. März ^922 Nummer 9

Die Ausbreitung des deutschen Volkes

Von Fritz Aern III. NeuereZeit

ü?ehrfach halte die ältere und mittlere Zeit die Erfahrung bestätigt, daß Aus­breitung nur durch Siedelung Dauergewwn bringt, aber auch nur dort, wo Staat und Kultur das Expansionswerk der Wirtschaft rechtfertigen und stützen. Die Neuzeit fand nun das deutsche Volk in einer solchen Zerrissenheit, daß an völkische Ausbreitung überhaupt nicht mehr zu denken war. Der Rückgang der Volkszahl und die Zerstörung der Wirtschaft im Dreißigjährigen Kriege schuf innere Neu- Vesiedelungsaufgaben genug. Staatliche wie wirtschaftliche Expansionskraft war auf geeinte, staatlich zielbewußte Nachbarländer, Erben und Nutznießer des deutschen Niederganges, wie Frankreich, England, Niederlande oder Schweden übergegangen, und wenn französisch-schwedischer Raub an deutschem Boden auch mangels or­ganisatorischer Kraft nicht zur eigentlichen Entdeutschung der annektierten Reichs­gebiete führte, so war doch ringsum ein Stillstand des deutschen Wachstums 'selbstverständlich. Durch den Ausfall Deutschlands und auf seine Kosten wuchsen ihm die anderen über den Kopf. Seinen Handel hatten die Machtstaaten deS Westens an sich gerissen. Nicht weniger drückend aber als die wirtschaftliche Tributpflicht, in welche die Deutschen gegenüber den fremden Beherrschern des Welthandels und der deutschen Ströme geraten waren, empfanden es die Patrioten -im 17.18. Jahrhundert, daß auch die Propaganda der überlegenen Kultur aus As weltpolitisch führenden Westmächte übergegangen war. Englische und fran­zösische Kultur gaben den Ton an, seit die englische und französische Macht, und ihnen zur Seite die junge russische Macht die neu zu erschließenden Gebiete der Erde an sich zogen.

Einige Menschenalter nach dem Abschluß des Dreißigjährigen Krieges hatte Deutschland wieder Überfluß an Menschen. Bei sich zu Hause konnte es den Zuwachs nicht unterbringen, denn es fehlten noch die Voraussetzungen zur Schaffung einer Industrie, die neuen Menschen neue Nahrung gäbe. So wan­derten wieder Scharen von Deutschen aus. Aber es war kein bewaffnetes Volk mehr, das zur Landnahme auszog. Die russische Zarin oder die Königin von Ungarn ließ sich Züge deutscher Landhungriger als Pioniere bäuerlicher und

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