Beitrag 
Verirrte Ambitionen
Seite
223
Einzelbild herunterladen
 

Verirrte Ambitionen

Verirrte Ambitionen

von Dr. Guido G ü n d i s ch - Budapest

Wir bringen nachstehend einen Artikel eines der hervor« ragendsten Führer des ungarländischen Deutschtums.

Vielen erscheint die Politik als sehr verwickelt. Und darum glauben sie hinter den Ereignissen des öffentlichen Lebens oft rätselhafte Kräfte suchen zu müssen. Wohingegen auf dem Gebiete des sozialen Getriebes dieselben Be­dürfnisse, Instinkte und Leidenschaften zu Hause sind, wie im Alltäglichen. Eine feinere Psychologie ist hier, wie dort nicht notwendig. Wenn man die Haupt­triebkräfte der menschlichen Natur kennt, und nicht bereit ist, sich durch Schlag­worte oder fadenscheinige Philosopheme blenden zu lassen, dann weiß man, was im großen und ganzen maßgebend ist. Allerdings darf man die menschlicheil Bestrebungen nicht'bloß auf zwei reduzieren, auf die der Erhaltung der Individuen und der Art. Es gibt auch ein Geistiges und ein Moralisches.

Die Bedeutung des Ehrgeizes wird da vielfach unterschätzt. Gerade in jenen Männern, die die Fähigkeit haben, die Führung an sich zu reißen, ist dieser Motor häufig der stärkste. Man mag es Pflichtbewußtsein gegenüber der ge- wählten Aufgabe, man mag es Eitelkeit heißen. Es kann das achtungs- Werts Streben sein, etwas zu leisten, oder aber die Sehnsucht, Rang und Titel zu erreichen. Nur Lumpe sind bescheiden . . . Männer, die auf andere zu wirken imstande sind, drapieren sich nicht selten mit dem anspruchslosen Mantel der christlichen Nächstenliebe, in der Wirklichkeit sind sie im guten oder im schlechten Sinne Werkzeuge ihrer Ambition.

Dies darf nicht übersehen werden. Dann wirft sich sofort die Frage auf, ob unser öffentliches Leben so organisiert ist, daß dieserBeweger des Menschen­geschicks" in gute Bahnen gelenkt wird?

Es ist klar, daß nichts vorteilhafter ist, wie wenn jemand durch seinen Ehrgeiz dazu getrieben wird, in einem Fach, zu dem er Eignung hat, etwas Hervorragendes zu leisten. Andererseits ist nichts schädlicher, wie wenn jemand, durch die Aussicht, besonders leicht vorwärts zu kommen, in eine Richtung gedrängt wird, die seinen angeborenen Fähigkeiten, seiner ganzen Erziehung und Lebens­stellung nicht entspricht. Verkannte Genies sind sehr zu bedauern, die nicht zur Geltung gelangen', noch betrüblicher wirken jedoch Männer schwacher Qualitäten, die durch den Strudel der Zeit in Stellungen kommen, denen sie beim besten Willen nicht gewachsen sind.

Die richtigen Männer auf die richtigen Plätze zu stellen ... das ist schon im Frieden und im Kriege die allerschwerste Aufgabe gewesen, seit dem Zu­sammenbruch ist auch diesbezüglich die fürchterlichste Verwirrung eingetreten. Unserer Beobachtung nach ist ein großer Teil der Unbeholfenheit und Schwäche, dann aber auch ein beträchtlicher Teil der Unberechenbarkeit und Leidenschaftlichkeit der Nachkriegszeit darauf zurückzuführem, daß Revolntions-Karrieren den Ton an­geben. Leute, die es sich nie haben träumen lassen, nehmen die wichtigsten Staatsämter ein. Sie haben dazu nicht nur nicht die nötige Erfahrung, sie er­wecken auch den Neid und die Mißgunst ihrer Kameraden, die sie weit hinter sich zurückgelassen haben, und die sich meistens für ebenso berufen halten. Wenn viele Vordermänner übersprungen werden, so ist das immer eine Erschütterung. Gar zu waghalsige Beförderungen verderben die schönste Ordnung. Schon wiederholt hat es sich gezeigt, daß die politische Begabung, die sich in der Publizistik und in den Parlamenten ausgelebt hat, durchaus nicht gleichbedeutend mit der administrativen Befähigung ist. Sollte die letztere jedoch an sich vorhanden sein, so fehlt immer die ebenfalls nötige Übung. Die Parlamentarisierung der gesamten Verwaltung ist kein Erfordernis der richtigen Demokratie.

223