Rudolf Eucken
ihn fast aller Schopenhauerschen Gedanken entkleidete, und gegen dessen Willensmonismus, gegen die Bewußtheit und Persönlichem des Absoluten, gegen den Hegelschen Panlogismus, gegen den Hegeischen Militarismus und Eudämonismus und gegen den ästhetischen Naturalisinus. Auf allen Gebieten fand er ebenso energische wie geschulte Gegner. Die alten Probleme wurden „gründlicher, umfassender und auf höherer Bewußtseinsstufe" durchgearbeitet als in irgend einer anderen Epoche. Aber Hartmann war eine Kampfnatur, und von der zahlenmäßigen Überlegenheit seiner Gegner hat er sich nie erdrücken lassen. DaS lag in dem Gefühl der Sicherheit, das dem leidenschaftlich strebenden Forscher eine neue Synthese gibt. Er sah, was noch keiner geschaut hatte, in seherischer Vollendung, die Macht und Majestät des Unbewußten in der metaphysischen Sphäre, darin den großen alten Mystikern gleich, aber er gefiel sich nicht nur in der Verzückung, sondern erfaßte mit der vollkommensten Nüchternheit der ratio seine Aufgabe, die metaphysische Sphäre der menschlichen nahe zu bringen, auch das Logische auf seinen unbewußten Ursprung zu untersuchen und den Kcitegorial- funktionen damit einen weiteren Geltungsbereich zuzuweisen. Die Negation war ihm nur Vorbereitung für die positiven Einsichten, die eins glückliche Intuition ihn früh finden ließ. Freilich erfuhr der Hartmcmnsche Begriff des Unbewußten heftige Angriffs. Zuletzt hat sich Hartmann 1904 in der li. Auflage der Philosophie des Unbewußten darüber ausgesprochen, um die Mißverständnisse zu zerstreuen, die diesen Begriff „aus einem Fortschritt zu einer dürftigen und bloß aufgebauschten Trivialität herabsetzt", oder die das darin enthaltene scheinbar Para- dorc zum Widerspruch überspannt.
In der „Kategorienlehre" findet sich die schärfste Durchführung des LebeuS- werkes nach der Seite der Logik und Metaphysik hin. Selbst der Gegner Windelband nannte sie „das geschlossene Werk begrifflicher Architektur, in der Feinheit der dialektischen Beziehungen und der Fülle interessanter sachlicher Ausblicke ein eigenartiges Gegenstück zu Hegels Logik". (Die Kategorienleyre erscheint demnächst, nachdem sie fünf Jahre vergriffen war, mit neuen Zusätzen, textkritisch erweitert, bei Felix Meiner in einer neuen Auflage.)
Jedem schöpferischen Denker schwebt ein Ideal vor, das er zu verwirklichen trachtet. Der unbewußten Konzeption der Grundgedanken muß die kritische und nüchterne Besonnenheit der ernsten Arbeit folgen, damit die Intuition zu lebendiger Wirklichkeit wird, der Blitz des Genius aus der Tiefe unbewußten oder doch nur relativ bewußten Geisteslebens festgehalten und mit ehern gewordener Schrift der Mit- und Nachwelt überliefert wird. In Hartmanns nach seinem Tode von mir zum Druck gebrachten „System der Philosophie im Grundriß" sind die vom unbewußten absoluten Sein ausgehenden Gestaltungen, welche das Inhalt gebende Logische dem an sich unbestimmten Wollen abringt, strahlenförmig ausgebreitet. Von ihrem Zentrum aus entfaltet sich nach allen Seiten der großartige Welten- plan der logischen Idee und strebt von den Rändern als Erlösungsgedanke wieder zum Zentrum zurück. Der Umfang der hier mit deutschem Forscherfleiß bewältigten Wissensgebiete und die Geschlossenheit ihres Aufbaues, erhellt durch eine geniale Veranlagung, haben in den letzten Menschenaltern wohl wenig Konkurrenz gesunden. A. ». H.
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