Max Kirsch
daß Angehörige ihrer Nation darin Dienst tun, erregt bei ihnen ebensowenig das allgemeine Interesse, wie bei uns zum Beispiel der Eintritt von Deutschen in die holländische und neuerdings auch in die spanische Fremdenlegion, deren Verhältnisse durchaus nicht besser, eher schlechter sind, als die in der französischen. Unsere Animosität gegen letztere stammt also lediglich nur von der Erbfeindschaft mit Frankreich her. Sie ist berechtigt und bei dem heutigen Stand der Dinge kann der Eintritt in französische Militärdienste von jedem Deutschen nur als Schande empfunden werden. Das wissen auch alle die glücklich Entronnenen und nur um ihren Fehltritt zu verdecken, erzählen sie jene merkwürdigen Legenden über ihre Zwangsanwerbungen. Es wird ihnen ja so leicht gemacht, fast in den Mund gelegt, und da sie meistens ein und demselben Typ von Menschen angehören, so harmonieren auch alle ihre Erzählungen miteinander. Die wahren Tatsachen, wie das freiwillige Aussuchen einer französischen Behörde und die Anwerbung aus Angst vor der täglichen Zivilnot, werden geschickt verschwiegen. Viele gehen weiter und konstruieren daraus, daß ein Militärarzt in Metz sie nicht tauglich befunden und sie auf französische Kosten wieder zurückbeförderi wurden, eine abenteuerliche Flucht auf dem Transport.
Alle diese Berichte erscheinen dann immer in der gleichen Schablone als angebliche Warnung an die Jugend in Blättern, die sich aus nationalen Gründen die Bekämpfung der Fremdenlegionen zur Pflicht gemacht haben. Ich zweifle nicht an dem guten Willen dieser Presse, wohl aber an dein Erfolg ihrer Bemühungen. Ihre Art und Weise, diese nüchtern militaristische Söldnerlruppe schaurig interessant zu machen, schafft ihr gerade in Deutschland, wo, dank jener falschen Gegenpropaganda, fast jedes Kind dieselbe kennt, immer neuen Zustrom.
Das Böse und Grausame übte von jeher einen besonderen Reiz auf die Phantasie hauptsächlich Jugendlicher aus und es ist deshalb ein Mangel an psychologischem Verständnis zu glauben, man könne durch Schilderung von Mißhandlungen und sklavischen Zuständen abschreckend wirken. Die besten Soldaten aller Armeen und somit auch der Fremdenlegion gehörten stets dem Landsknechttyp an. Diese Art von Menschen ist meist masochistisch eingestellt, was durch ihre gelegentlichen sadistischen Akte nur bewiesen werden kann. Zu willensschwach und dem Kampf des Zivillebens nicht gewachsen, entfliehen sie gewöhnlich seinen Konflikten und treten in eine Truppe ein, das heißt sie unterstellen sich in blindein Gehorsam einem höheren Willen, einer Organisation, die ihnen alle täglichen Sorgen abnimmt, sie verpflegt, für ihre Unterkunft sorgt, sie leitet und dadurch, daß sie ihnen jede Verantwortung abnimmt, das männliche Komplement ihrer femininen Psyche bildet, die in der eitlen, bunte Farben liebenden Uniformsucht oft ihren besten Ausdruck findet. Tapferkeit vor dem Feinde, Todesverachtung auf höheren Befehl sind bei diesen Berufssoldaten nur eine Art männlichen Protestes, oft auch Minderwertigkeitsgefühle. Ihr Mut, der in jedem lohnendsn Dienst, sogar in dem der LcmdeLsvinde sich bewährt, läßt sich nicht mit demjenigen der Männer vergleichen, die ihre Heimat verteidigen und nach Beendigung eines Krieges oder einer nationalen Dienstzeit mit der gleichen Tatkraft ihrem Beruf und ihrer Arbeit nachgehen. Jeder Legionär, auch derjenige, der sich in zwanzig Schlachten bewährt haben will, ist ein erbärmlicher Feigling im Vergleich zu dem, der arbeitslos und in Elend geraten, der Not trotzte und im Kampf des Lebens lieber unter Hunger und Entbehrungen weiter standhielt, ehe er seine Freiheit wegwarf und den Lockungen der Feinde seines Volkes nachgab. Welch ungleich größeres Verdienst haben der niedrigste Schiffslrimmer, der wandernde Handwerksbursche, der vagabundierende Marklkünstler. die aus eigener Kraft, frei und unabhängig die Welt durchziehen und die Möglichkeit, sich zu verbessern, das freie Selbstbestimmungsrecht nicht aus der Hand geben. (Schluß folgt)
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