Werber für die Fremdenlegion
Werber für die Fremdenlegion
Von Max Airsch
°^s wird vielen Lesern kaum glaubhaft erscheinen, wenn ich hier aus Erfahrung heraus und als genauer Kenner der Verhältnisse in der französischen Fremdenlegion behaupte, daß es. abgesehen von den eigentlichen französischen Militär- und Zivilbehördcn, die alle darauf eingestellt sind. Freiwillige für diese Truppe ihrem erwünschten Ziel zuzuführen, weder Werbezentralen, noch amtliche Werber derselben gibt. Der einfache Grund dafür ist. daß Frankreich keine derartigen Institutionen braucht und es deshalb auch nicht nötig hat, sein Heeresbudget durch solch einen überflüssigen Apparat zu belasten.
Der Zustrom zur Fremdenlegion ist ohne eine besondere Agitation stets so stark gewesen, daß diese Armee es sich leisten konnte, daraus nur das beste Menschenmaterial auszusuchen. Statistisch werden von allen Freiwilligen über 40 Prozent wegen geringer körperlicher Mängel, bedingter Kolonialdienstfähigkeit, allzu großer Jugend oder verdächtiger Personalien abgewiesen.
Als ich im Oktober 1914. also zu einer Zeit, da dem bedrängten französischen Heer jeder Mann willkommen sein mußte, in Bordeaux als Rekrut des ). Fremdenregiments ärztlich untersucht wurde — ich erinnere daran, daß ich als Flüchtling aus englisch-afrikanischer Gefangenschaft die Legion unter der Maske eines Schweizers nur benutzte, um mich nach Deutschland durchschlagen zu können — mußten außer mir noch 18 Freiwillige, meist abenteuerlustige Angehörige neutraler frankophiler Staaten sich besichtigen lassen. Von diesen 18 wurden nicht weniger als die Hälfte zurückgewiesen, weil sie entweder zu schwächlich waren oder irgend welche unbedeutende körperliche Mängel hatten. Sogar allzu schlechte Zähne genügten bei sonst guter Konstitution, um nicht angenommen zu werden. Ich habe eS erlebt, daß die meisten dieser Zurückgewiesenen den Arzt baten und mit allen Mitteln zu bewegen suchte», sie tauglich zu schreiben, jedoch ohne Erfolg. Dann konnte ich im Juni 1919. als ich als Untersuchungsgefangener im Depot des I. Fremdenregiments in Lyon weilte und in Erwartung eines Verhörs oft stundenlang auf der Wachtstube saß, feststellen, wie täglich Transporte von 1V. SO bis über 100 Mann neue deutsche Rekruten aus dem Rheinland ankamen. Der größte Teil davon hatte sich freiwillig gemeldet, und sie machten in ihrer durchaus nicht trüben Stimmung kein Hehl daraus. Sie waren meistens Arbeitslose oder infolge der Heeresverminderung entlassene Berufssoldaten, denen es schlecht ergangen war und die aus Not sich hatten anwerben lassen. Alle hatten das Gefühl, sich verbessert zu haben und vor allen Dingen dem Hunger und Elend entronnen zu sein. Ein kleinerer Teil dagegen bestand aus Leuten, die im besetzten Gebiet in irgend einen Konflikt mit den französischen Besatzungsbehörden geraten und deswegen verhaftet worden waren. Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, hatten sie sich zu dem Eintritt in die Legion bereit erklärt. Es sind dies die einzigen, jetzt längst behobenen Fälle von indirekt unfreiwilligem Eintritt in die Legion. Diese Männer wäre» auch entschieden bessere Elemente, als der vorgenannte größere Teil ihrer Kameraden. Sie hatten von vornherein die Absicht, sich aus diesem eines Deutschen unwürdigen Zustand zu befreien, während die anderen sich meist wvhl fühlten und sogar mir freudiger Spannung ihrer Afrikafahrt entgegen sahnr. Damit wollte ich nur den Geist dieser Leute kennzeichnen, die in Deutschland zu Unrecht allzu große Beachtung finden.
In allen übrigen Staaten, mit Ausnahme der Schweiz, welche Frankreich Von jeher Rekruten lieferte, kennt man die französische Fremdenlegion kaum, die deshalb auch dort weniger Kräfte findet. Das hängt nur damit zusammen, daß die Presse dieser Länder keine direkte Einstellung gegen Frankreich hat und Ulfolgedcfsen von seinen Fremdenregimentern keine Notiz nimmt. Die Tatsache,
Grenzboten I 1922