Bürgerlich kett
Vürgerlichkeit
Von Maxim Gorki
Wir bringen nachstehend mit freundlicher Erlaubnis des Verlages Rudolf Kämmerer-Dresden einen Vorabdruck aus dem demnächst erscheinenden Buche: Maxim Gorki „Die Zerstörung der Persönlichkeit". Dem Borwort: „Bemerkungen über die Bürgerlichkeit" werden wir das I. Kapitel: „Die Zerstörung der Persönlichkeit" folgen lassen. Wir haben Prof. Max Scheler um eine Gegenantwort gebeten. Die Schriftleitung
Tolstoi und Dostojewski sind die beiden größten Genies. Mit der Kraft ihres Talents haben sie die ganze Welt erschüttert. Sie haben auf Rußland die überraschte Aufmerksamkeit ganz Europas gelenkt, und beide sind als Gleiche in den unmeßbaren Reihen der Menschen, deren Namen Shakespeare, Dante, Cervantes und Goethe heißen, aufgestanden. Einmal aber haben sie ihrer finstern und unglücklichen Heimat einen schlechten Dienst erwiesen.
Das traf genau den Zeitpunkt, da unsere besten Männer sich im Kampfs für die Befreiung des Volkes von der Willkür der Macht erschöpften und fielen, während die jungen Kräfte, bereit, für die Gefallenen einzuspringen, verwirrt und entsetzt stehenblieben vor Galgen, Zwangsarbeit, dem unheilkündenden Verstummen eines rätselhaft unbeweglichen Volkes, das wie die Erde, die das in den Kämpfen für seine Freiheit vergossene Blut aufgesogen hat, schwieg. Die Bürger schmachten, entsetzt über die Ausbrüche des revolutionären Kampfes, im Durste nach Ruhe und Ordnung, und sind bereit, dem Sieger zu gehorchen, den Besiegten auszuliefern und für den Verrat ein noch so kleines, aber für sie immerhin leckeres Stückchen der Macht einzuheimsen.
Schwere graue Wolken der Reaktion schwammen über dem Lande; die glänzenden Sterne der Hoffnungen erloschen, Verzagtheit und Gram bedrückten die Jugend. Die blutbefleckten Hände der schwarzen Macht webten von neuem behende das Netz der Knechtschaft.
In dieser traurigen Zeit hätten die Führer des Volkes ihren vernünftigen und anständigen Kräften sagen müssen:
Die Armut und die Unwissenheit des Volkes, das sind die Quellen aller Unfälle unseres Lebens; das ist dies Trauerspiel, dessen passive Zuschauer wir nicht sein dürfen, da wir alle früh oder spät von der Kraft der Dinge dahin gestoßen sein werden, in dieser Tragödie in Rollen der Leidenden und der Verantwortlichen zu spielen. Für den Staat sind wir Ziegelsteine. Er baut aus uns, seine böse Macht verstärkend, Mauern und Türme. Er trennt künstlich das Volk von uns und »nacht damit, daß alle Welt in diesem Kampfe gegen seinen seelenlosen Mechanismus machtlos ist. Kein Vernunftmensch kann ruhig bleiben.
1.95