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Die Emanzipation Persiens
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Von einem ehemaligen Diplomaten

in diesen von kriegerischen Stämmen bewohnten Bergstrichen ruhige Zustände schaffen könne. Aber, wie die Engländer sich gleichsam pikiert aus Persien zurück ziehen und nicht verstehen, daß sie sich bemühen müßten, das vorhandene Miß­trauen zu beseitigen und als wahre Freunde Irans zu erscheinen, so haben sie den Afghanen gegenüber ganz unrichtige Töne angeschlagen. Daß die Afghanen wirk­liche Fortschritte gemacht haben, ist nicht zu leugnen, und einsichtige Engländer geben dies selber zu. Aufgabe einer gewandten britischen Politik wäre es, diesen Umstand zu berücksichtigen und die Afghanen nun auch als eine Macht zu be­handeln, mit der gerechnet werden muß. Der afghanischen Mission unter General Muhammed Wali Khan, die zuletzt in Paris den wärmsten und ehrenvollsten Empfang gefunden hatte, ist, als sie in London politische Fragen zur Erörterung bringen wollte, vom Foreign Office bedeutet worden, diese Probleme müßten zwischen Kabul und der angloindischen Regierung behandelt werden. Die Afghanen verlangten, unmittelbar mit London zu verhandeln, ein Wunsch, den schon Emir Abd ur rahman gehabt hat. Es war außerordentlich verfehlt, diese Bestrebungen der Afghanen zu durchkreuzen und sie unnötigerweise vor den Kopf zn stoßen. Wenn sich Lord Curzon darüber beschwert, daß Kabul sich an die Sowjets wendet nnd daß als Vertreter von Moskau Dschemal Pascha bei den WasiriS Mahsuds und anderen Grenzstämmcn agitiere, nutzt das ebensowenig, wie wenn dieMorning Post" den Tod des Emirs Habb ullah Khan beweint. Es hilft nichts, Vergangenem nachzutrauern. Dies scheint man in England bei den« Vertrag berücksichtigt zu haben, der am 22. November in Kabul zwischen Si» Henry Dobbs und der afghanischen Regierung unterzeichnet worden ist. Darin werden die Afghanen, die sich verpflichten, keine bolschewistische Propaganda bei sich zu dulden und in den Orten in der Nähe der russischen Grenze russische Konsuln nicht zuzulassen, wichtige Zugeständnisse hinsichtlich Grenzberichti­gungen, der Munitionsdurchfuhr und seiner uneingeschränkten politischen Be­wegungsfreiheit gemacht. Afghanistan wird nunmehr einen Gesandten nach Lon­don, nicht nur, wie bisher, einen Agenten nach Delhi schicken, und es kann als selbständiger Staat sich entwickeln. Nur wenn England vorbehaltlos diese Tat­sache anerkennt, wird sich ein ersprießliches Verhältnis zu den wichtigen und namentlich bei den indischen Muslimen einflußreichen Nachbarn herstellen lassen.

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