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Weltspiegel
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Sieg des Chauvinismus. Der Erfolg der Konferenz von Genua hängt ganz wesentlich davon ab, ob Amerika sich bereit finden wird, an den Veratungen zum wirtschaftlichen Aufbau Europas teilzunehmen, denn ohne die Mitwirkung des amerikanischen Kapitals läßt sich die wirtschaftliche Krise nicht überwinden. Auch das Wiederaufbausyndikat, das in Paris vorbereitet wurde, aber noch keine endgültige Gestalt angenommen hat, bleibt unvollständig, solange die Amerikaner abseits stehen. Die Neigung der Vereinigten Staaten in Cannes, tätig mitzu­arbeiten, ist nicht besonders groß. An Rußland hat Amerika zwar ein lebhafte? Interesse, aber der amerikanische Unternehmer glaubt dort wohl auch ohne die Europäer fertig zu werden, die bei einer Erstarkung der alten Welt bald unbe­queme Rivalen werden können. Jenseits des Ozeans darf man freilich nicht vergessen, daß ausgeglichene Zustände die Vorbedingung jeder wirtschaftlichen Erschließung Rußlands und des europäischen Kontinents sind. So sind Politik und Wirtschaft nicht auseinander zu halten. Wären es wirtlich rein wirtschaft- liche Probleme, die in Genua behandelt werden sollen, so würde sich Amerika eher damit befassen, aber man fürchtet in den Vereinigten Staaten, in die politischen Händel hineingerissen zu werden. In ihnen, denen das von eigenen Problemen in Anspruch genommene Amerika fern bleiben will, reiben sich die besten Kräfte und Köpfe der alten Welt auf. Das Schauspiel, das sie bietet, ist wirklich nicht dazu angetan, Amerika anzulocken. Präsident Harding hatte gehofft, aus der Konferenz von Washington die Borstufe zu einer wahrhaften Vereinigung der Völker zu machen, die ohne die Belastung durch den Versailler Friedensvertrag in zwangloser Form die sich bietenden Fragen nach Möglichkeit besprechen und regeln würde. Das große Viermächteabkommen über den S-illen O^ean und die Vereinbarung über die Herabsetzung der Zahl der Großkampsschiffe schienen ver­heißungsvolle Ansätze zu bieten, aber der Fortgang enttäuschte. Uber Ostasien ist nichts Bindendes abgeschlossen worden. Japan ist bemüht, unter Umgehung der Washingtoner Konferenz sich unmittelbar mit den Chinesen zu verständigen. Das ist der Sinn der japanischen Angebote wegen Kiautschous.

Als positiver Ertrag von Washington, dessen Verhandlungen im Sande zu versickern drohen, bleibt die englisch.amerikanische Annäherung übrig, die in ihren Grundzügen schon vor der Tagung in der Bundeshauptstadt angebahnt war. Die Slärke dieses Zusammenschlusses unterschätzt zu haben, wird von englischer Seite Bricmd vorgehalten. Er hat durch seine militärischen Forderungen, mit denen er freilich durchdrang, die amerikanische Öffentlichkeit verärgert. Diestr Unmut fand seinen Niederschlag in der Resolution Mac Cormick, in der die amerikanische Re­gierung vom Senat aufgefordert wird, die Budgets und insbesondere die Aus­gaben für Landrüstnngen solcher Staaten darzulegen, die den Vereinigten Staaten Geld schulden. Dieser Schritt bezieht sich unzweideutig auf Frankreich. Zugleich betont Amerika seinen Emschluß, auf die vorläufig bis April gestundeten Vor­schüsse aus dem Weltkriege keine Nachlässe an Kapital und Zinsen zu gewähren. Die Franzosen benutzen diese Haltung, um Amerika vorzuführen. Frankreich müsse durch die uneingeschränkte Erfüllung der Reparationsansprüche zahlungs­fähig gemacht werden. Es brauche sein Heer, um sich vor neuen Katastrophen zu schützen und den deutschen Schuldner zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anzuhalten, eine gewundene und durchaus anfechtbare Beweisführung. Poincarö dürfte kaum der Mann sein, gerade in der Frage der Landrüstungen andere Wege

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