H. L. Menckeu, Baltimore
daß dieser eine Akt das ganze Programm ausfüllt. Hier kommen den unzuverlässigen Einflüsterungen seiner halb unbewußten Leidenschaft logischere Erfahrungen zu Hilfe. Er, der mit der Sprache nicht vertraut und von jedem freien gesellschaftlichen Verkehr ausgeschlossen ist, der, wenn man ihn überhaupt als Menschen gelten läßt, zum mindesten als ein entschieden untergeordnetes Mitglied der Gattung betrachtet wird, ist zu der härtesten Arbeit gezwungen, die am schlechtesten bezahlt wird. So hält er denn den Amerikaner für einen hartherzigen Arbeitgeber und schreibt die Ausnutzung, deren Opfer er ist, einer geradezu fabelhaften Mertrumpfung seiner eigenen Habsucht zu.
Überdies scheint der größere Erfolg und die höhere Stellung der geborenen Amerikaner diese Anschauung zu rechtfertigen. In einem Wetttampf, an dem alle teilnehmen können und der bis aufs Messer geht, heimst der Eingesessene immer den ersten Preis ein.
Ich verteidige diese Art Logik nicht, aber sie läßt sich nicht wegleugnen, und ihre Folge ist das im Auslande allgemein verbreitete Urteil über Amerika und die Amerikaner. Denn der Ausländer, der zu Hause bleibt, bildet sich seine Ansicht nicht nach Dr. Wllsons funkelnder, schweigender Phraseologie oder nach dem begeisterten Idealismus so bedeutender Ur°Ainerikcmer wie Otto H, Kahn, Adolph'S. Ochs, S, Stanwood Menkcn. Jacob H. Sclnff, Samuel Goldfish, LouiS D. Brcmdeis, Julius Rosenwäld, Paul Warburg, Richter Otto Nasalsky. Adolph Zukor, den Ehrenwerten Julius Kahn, Simon Guggenheim, Stephen S. Wise und Barney Baruch, sondern nach den Rüubergeschichten der hcimge- kehrten „Amerikaner", das heißt ihrer eigenen bäurischen Landsleute, die, nachdem sie den Kampf mit dein Drachen bestanden haben, ins Vaterland zurückgekommen find, um sich ihre Beute schmecken zu lassen und mit ihren Wunden zu prahlen.
Wie gesagt hat sich der Eingeborene durch diese irrige Auffassung so stark beeinflussen lassen, daß er sie selbst unterstützt oder richtiger gesagt, daß er sie mit Beschämung duldet. Sein geschwollener Idealismus ist zum größten Teil nichts anderes als eine beabsichtigte Gegenwirkung — ein augenscheinliches Bemühen, sie zu entkräften und Lügen zu strafen. Er fühlt sich am allermeisten geschmeichelt, wenn irgend ein Politiker, der auf den Stimmenfang ausgeht oder ein Goltes- niann, den es nach einem guten Schmaus gelüstet, ihm sagt, daß er wirklich ein hochgesinnter Altruist, der einzig echte Altruist in der ganzen Welt ist. Das ist das sicherste Mittel, ihn für sich zu gewinnen, und unweigerlich wirft er sich in die Brust, wenn ihm diese faden Schmeicheleien zu teil werden. In Wirklichkeit ist er, wie sich das von. selbst versteht, — nicht uneigennütziger, als jedes andere gesunde Säugetier. Seine Ideale wurzeln samt und sonders in seinem eigenen Interesse oder in der Furcht, die des Pudels Kern ist; seine Mildtätigkeit bleibt immer mit einem Häkchen daran hängen. Er ist ebenso unfähig, sich eine Hand- lungsweise zu seinem eigenen unfehlbaren Nachteil vorzunehmen, als der Engländer, der Franzose, der Italiener oder der Deutsche. Aber die Behauptung, daß der Gewinn, auf den er es abgesehen hat, stets oder auch nur in den meisten Fällen ein pekuniärer ist, — die Schlußfolgerung, daß er ein habsüchtiger oder sogar — seit einigen Jahren ein raffgieriger Krämer ist, — schlägt der Wahrheit direkt ins Gesicht. (Fortsetzung folg«)
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