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Das Koalitionsproblem
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Das Koalitionsproblein

mehr verstärkt. Es liegt dies an den besonderen italienischen Parteiverhältnissen, vornehmlich an dem plötzlichen Auftreten und raschen Erstarken der katholischen Volkspartei, die eine immer wachsende Anzahl von Ministersitzen beanspruchte. Die letzten Monate haben eine interessante, übrigens typische (vergl. England) Folgeerscheinung der Koalition gebracht. Es ist nämlich gelungen, die vielen liberalen Gruppen zusammen mit Teilen der Reformsozialisten (bürger­liche Gruppe!) zu einer neuen Partei, der demokratischen Partei, zusammenzu­schweißen. Freilich ist nicht sicher, ob diese Neubildung, die vorläufig nur im Parlament glückte, analoge Bewegung draußen im Lande auslösen wird. Dies vorausgesetzt, muß fortan mit den drei Parteien: Demokraten, Volkspartei, Sozia­listen gerechnet werden, während bisher die italienische Kammer in eine Unmenge kleiner Gruppen zerfiel.

Diese Zusammenfassung darf deshalb typisch genannt werden, weil sich in ihr eine auch anderswo zu beobachtende Rückwirkung der Koalition auf das Parteileben ausdrückt. Gruppen, die in einer Koalition zusammen Politik machen, werden, wenn sonst keine Hemmungen bestehen, die Tendenz haben, sich auch parteilich zusammenzuschließen. In der idealsten Form ist das in England ge­schehen, wo dieKoalition" Lloyd Georges längst mehr als ein Bündnis der Liberalen und Unionisten ist. Die englische Koalition nähert sich auch organi­satorisch immer mehr der Form einer Partei.

Die Koalition oder der Negierungsblock war in der Vorkriegszeit eine mehr oder weniger sporadische Erscheinung in der Innenpolitik der Lander. Heute ist er zweifellos mehr, und man wird sagen können, daß die Koalition als politische Form nicht mehr verschwindet. Im Gegenteil. Wir sehen am englischen und italienischen Beispiel, daß sie zu Neuformungen im Parteileben Anlaß wird, die dem eigentlichen Parlamentarismus über den Kopf wachsen. Parteien, die Koalition machen, sind eben nicht mehr Parteien im alten Sinne. Ob sie freilich so Wege zur Volksgemeinschaft werden können, erscheint zum mindesten fraglich, denn Volksgemeinschaft soll organische und nicht organisatorische Einheit sein. Eine organische Einheit verträgt aber selbständige oder gar einander bekämpfende Teile nicht.

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