Florian Geyer
politische Ariegserfahrung
Von Florian Geyer I.
^ie militärische Kriegserfahrung des Weltkrieges kann für Deutschland nicht ruchtbar werden. (Die anderen sichern inzwischen das Zeitalter des Völker- riedens, in dem wir jetzt leben, durch erfreuliche Vervollkommnung der 1918 noch
recht primitiven Kriegsmaschinen.) Für Deutschland bleibt als Möglichkeit und
Pflicht nur der Ausbau der politischen Kriegserfahrung.
II.
Nicht der parteipolitischen Krtegserfahrung. Parteipolitik behauptet heute noch, vo« den Deutschnationalen bis zu den Kommunisten: „Unsere Anschauungen sind es, die der Krieg vollinhaltlich bestätigt hat." Im stillen Kammer- lein, im engen Kreise allerdings lächeln die Auguren. Tatsache: Jede Partei mußte, müßte umlernen. Umlernen im Sinn der staats politischen KriegSerfahrung.
III.
Krieg ist nach Clausewitz - Ludendorff „die äußere Politik mit anderen Mitteln"! erste politische Kriegserfahrung: Krieg ist nicht bloß Machtprobe der Heere, sondern Machtprobe der Völker.
IV.
Den bürgerlichen Massen, die nur die militärische Seite des Krieges sahen (oder sehen dursten?), ist der Zusammenbruch nach vier Jahren Sieg heute noch ein Rätsel. Machtprobe der Heere: Der wachsenden Übermacht des feindlichen Anpralls hat das Heer bis zum letzten Augenblick, wenn auch wankend, standgehalten. Aber — Machtprobe der Völker —: Die deutsche Heimat hat zwar bis an den Tod gehungert und klaglos ihre Söhne geopfert, aber sie, nicht das Heer, traf der Stoß, der Deutschland schließlich zu Fall brachte. Der Krieg ist nicht mit rein militärischen Mitteln geführt, nicht durch rein militärische Mittel entschieden worden, sondern durch die Wirtschaftsübermacht und die Propaganda der Entente.
V.
Der Sieger des Weltkrieges ist nicht Marschall Foch, sondern die New Yorker Börse. Zweite staatspolitische Kriegserfahrung: Die Wirtschaft ist das Schicksal. Die „Friedenserfahrung" bestätigt diesen Satz täglich. Außenpolitisch heißt es heute: Keynes oder Poincarö? Innenpolitisch fordert er: Nach Zerschlagung der militärischen und politischen Macht ist das deutsche Schicksal mit wirtschaftlichen Mitteln neu zu gestalten. Der vernachlässigte nationale Machtfaktor der Wirtschaft ist durch die Arbeitsgemeinschaft der Arbeiter und Unternehmer zu höchstmöglicher politischer Wirkung zu bringen. Der Kaufmann, der einst schwerer Reserveoffizier werden konnte als mancher andere Einjährige, hat heute die führende Stellung in Deutschland.
VI.
Aus der wirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft hat die politische zu erstehen: Große Koalition. Kapitalisten wie Proletarier müssen loskommen vom Geist des Sozialistengesetzes. Dritte staatspolitische Kriegserfahrung: „National" darf nicht nur leeres Wort, sondern muß materieller Inhalt sein. Nationalisierung der
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