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Lassalle und Bismarck : die Väter des Reichstagswahlrechts
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Las falle nnd ViSmarck

die königstreuen ländlichen Massen, die noch sicher zu leiten waren. Lassalle dagegen wollte es im Rahmen seiner demokratischen Politik, die die Arbeiter von der Führung der Liberalen emanzipieren und politisch auf eigene Fühe stellen sollte; er rechnete auf die Massen der Zukunft, die mit diesen» Wahlrecht den Staat erobern sollten. Dazu kam, daß Bismarck, obgleich auch der preußische Konflikt ihn zur Anwendung dieses Mittels nötigen konnte, es doch zur Lösung der deut­schen'Frage im ganzen sich vorbehalten und für die Stunde aufsparen wollte^ wo er den nationalen Entscheiduugskampf entfesselte. Lassalle aber wollte es sofort und zunächst auf Preußen angewandt wissen, und zwar vermöge einer königlichen Oktroyierung, die er sich als eine loyale Zurücknahme der nach seiner demokratischen Auffassung illegalen Oktroyierung der Verfassung vom 5. Dezem­ber 1848 nnd des Dreiklassenwahlrcchts auslegte: indem der Konflikt dadurch mit einem Schlage beseitigt wurde, sollte gleichsam iu Berlin das Banner des nationalen Parlaments aufgesteckt und ein Weg beschritten werden, der in den italienischen Ereignissen seine verlockende Parallele fand.

Die Politik Lassalles lief darauf hinaus, Bismarck möglichst rasch zn einem Entschlüsse voranzudrängen, den er selber dann in seiner Ärbeiteragitation als seinen Erfolg ausspielen konnte. Wir sehen aus seinen Briefen, wie er um Mitte Januar 1864, wo die Intimität ihrer Besprechungen anscheinend ihren Höhepunkt erreichte, den Minister mit seinenZaubcrrezepten" vollends zu überzeugen sucht nnd dieentscheidenden Beschlüsse" schon wegen der äußeren drängenden Ereignisse unmittelbar vor der Tür sieht. .Aber in eben diesen Tagen waren es gerade die äußeren Ereignisse, der Ausbruch des Krieges mit Dänemark, die Bismarck veranlaßten, die andere Karte zuuächst noch in der Hinterhand zu behalten; Wohl rief auch er in den nächsten Tagen einmal, ganz im Lassalleschen Sinne, den bürgerlichen Liberalen des Abgeordnetenhauses zn, ihr Verhalten beweise ihm,wie sie dem eigentlichen Volke fernstehen", aber ge­rade der Krieg, den er an der Seite Österreichs durchkämpfen mußte, ließ ihn die Oktroyierung zunächst Hinansschieben. Zwar suchte Lassalle auch von der Öffent­lichkeit her zn drängen; in dem nin Mitte Febrnar erscheinenden Bafliat-Schulze hieß es zum Schlüsse pathetisch:Schon zuckt in den Höhen der Blitz des direkten und allgemeinen Wahlrechts", und als er am 12. März 1864 wegen Hochverrats vor Gericht stand denn was er im geheimen mit dein Minister als Ziel der Zukunft besprach, wurde ihm in staatsanwaltlicher Auslegung als Hochverrat an­gerechnet, wenn er es öffentlich andeutete, wagte er sogar die kecke Prophe­zeiung:Ich will nicht nur die Verfassung stürzen, sondern es vergeht vielleicht nicht mehr als ein Jahr, so habe ich sie gestürzt. Die starken Spiele können gespielt werden, Karten auf den Tisch. Und so verkünde ich Ihnen denn an diesem feierlichen Orte, es wird vielleicht kein Jahr mehr vergehen und Herr von Bismarck h a t die Rolle Robert Peels gespielt und das allgemeine und direkte Wahlrecht ist oktroyiert."

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