Die toten Freunde
Die toten Freunde
^in Deutschland war es bislang unmöglich, den Gefallenen einen allgemeinen Gedenktag zu weihen? unmöglich oder unerwünscht, einen „unbekannten Soldaten" zu ehren. Aber in der Jugend, die 1918 aus den Gräbern stieg,, verdreckt und von unerhörtem Erleben zerwühlt, ist keiner, der nicht täglich der toten Freunde denkt. Wer vier Jahre in Tuchfühlung mit dem Tode stand, hat keine Scheu, Knocheuhände zu fassen. Wem Trommelfeuer ins Ohr brüllte: „Deutschland muß leben, wenn wir auch sterben müssen —," dem ist Deutschlands Neubau nicht Ehrgeiz, sondern Ehreudenkmal für die Gefallenen. Wer mit 20 Jahren hundertmal Todesnot, sonst Angst der Greise, durchlebte, fühlt die Pflicht, durch Tat Dank denen zu zahlen, die an seiner Stelle starben.
Vom Vermächtnis der toten Freunde spricht das Buch von Otto Brües „Neue deutsche Jugeud" (Staatspolitischer Verlag, Berlin). Dort sucht Brües die neue deutsche Jugend, „wo Jugend im engsten Verkehr mit den Gefallenen sich die neuen (in Wahrheit uralten) Werte des deutschen Lebens formt". Als Zeugnis gibt Brües Nachlaßblätter von Helmut Noack, der 19jährig im Baltenlaud siel; von den Brüdern von Rhoden; von Otto Braun, dem Sohn der Sozialistin Lily Branu, der frühreif nnd hochbegabt, Germane (Generalsenkel) und Jude zugleich war. (Beim Begraben von Toten spricht der „Hellene von iphigenischer Südsucht", Verse des Jlias nnd sagt dabei zu deu Soldaten: „wenn euer Geist die Verwesung nicht meistert, meistert sie euren Geist.")
In diesen Nachlaßblättern ist Führergeist, Vorausvcrküudigung des neuen Deutschland. Klarer noch leuchtet der ueueu deutschen Jugend dieser Führergeist aus dem Dichterdreigestirn, dem Brües ausführliche Würdigung widmet: Fock von der Waterkant, Walter Flex aus dem Thüringerland, Hermann Löns aus dem Heidesaud. Ihr Werr "darf als bekannt gelten. Ihr Gemeinsames vernicht Brües mit folgeudeu Worteu umzuschreiben: „Es ist eine Vorbestimmung aus Lebensbahn, Werkstoff nnd Schaffensflamme, die diese drei in unserem Aufblick zum Sternbild zusammeufügt. Allen dreien auch ist Liebe zur Heimatscholle wesenhaft und die Urzelle ihres Werkes. Ihre Gemeinsamkeit offenbart sich weiter in der Mischung von Heidentum und Christentum in Werk und Mensch; in ihnen lebt der deutsche Christus sowohl der früheren Legenden wie der heidmsch-naturgesättigten Passionsbilder des reformatorischen Dürer."
Dieser Gedanke des deutscheu Christus wird weiter ausgebaut: Es sei uns noch keine Religion geboren, die beide Hälften des deutschen Wesens eine; vielleicht sei ihre Einiguug die dritte vollendetste Stufe deutschen Christentums: Die Erdeuselinkeit deS Heiden und die überirdische Seligkeit des Christen in sich zu verschmelzen; „in unsere Raben zu verwandeln Jordans helle Taube" (Bertram). Es müsse uns geschrieben wirden das Evangelium jenes Christ, der ein Weib nimmt, ohne dadurch Erniedrigung und Verlust des Führertums zu be-
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