Waterloo oder Faschoda?
Mainz flattern zu, sehen. Deutschland hat nur zu fürchten, daß über die wirtschaftliche Wiederherstellung Europas ein mväus vivsnäi gefunden wird, der den Angelsachsen den ruhigen Genuß der Weltausbeutung sichert, die Deutschen (wie man treffend gesagt hat) in ein Haus ohne Fenster einsperrt, in das morgens die zn verarbeitenden Rohstoffe geschoben und abends verarbeitet abgeholt werden, wobei Frankreich, ebenfalls mehr oder minder eingesperrt^ freiwillig Beschließer- .dienste in diesem Zuchthause tut. Wird dieser Modus gefunden, als Kompromiß zwischen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Gesichtspunkten, dann wird sich Frankreich am Ende auch noch dazu verstehen, Legen Streichung seiner Ententeschulden die unbequemen Seerüstungen auf das zur Bekämpfung der Willn'lmshavener „Flotte" erforderliche Maß einzuschränken. U-Voote sind wirklich nicht vital für Frankreich, sondern nur ein ausgezeichnetes Pressionsmittel/ Man darf nie vergessen, daß der glühendste französische Nationalist, der Gründer der Entente, De'lcassö, Faschoda gemacht hat. Da es für die Engländer zu einem Waterloo doch nicht mehr reicht, wird von hier aus die französische politisch-militärische Beherrschung Deutschlands nicht bedroh!. Wenn aber die Engländer partout ihr Faschoda (in Angora, Flottenfragen, Wirtschaftsfrageu) brauchen, dann können sie es eben haben, als Lebens- elixier der Entente.
Es wäre gut, wenn die deutschen Unterhändler, die jetzt auf dem Boden, von Wirtschaftserörterungeu zahlreicher als bisher in Berührung mit westmächt- licher Diplomatie kommen werden, sich immer vor Augen hielten, daß Frankreich und England ans der öffentlichen Schaubühne noch lange und hitzig kämpfen werden, als ob Waterloo am Horizont stünde, daß aber all' dieses Aufgebot an Zchachzügen doch nnr einem Faschoda zustrebt, solange beide Teile von der Entente nicht gut loskommen tonnen, da beide sie trotz mangelnder Sympathie zur eigenen Versicherung brauchen. Nur wenn wir 1919 den Frieden nicht unterzeichnet und die Franzosen im ersten Anlauf Deutschland nach dem Vollrezept napolevnisiert hätten, dürften wir — sozusagen durch unsern. Brand von Moskau hindurch heute unser Waterloo erwarten. Im ersten Taumel aufgehalten, sind die Franzosen jetzt schon zu vernünftig, ihre Rache zu kalt geworden, als daß sie nicht Wege fänden, um ihreu „Krieg nach dem Kriege" unier Schonung der britischen Lebensinteressen fortzuführen. In diesem Geiste wird auch über den Anfbau Rußlands verhandelt werden, zum Segen des englischen und sranzösi'sche» Kapitals und »n't allen Sicherungen dagegen, daß Rußland und Dentschland nicht 'zusammen wieder groß werden.
Unsern Zeitungsleser bestürmen jetzt fast täglich englische Sympathieäußerungen und sogar gewisse Dämmerungen französischer Vernunft. Diese Meldungen verführen zu q u i e t i sti sch e m Optimismus, der zu bekämpfen ist, weil für ein Waterloo alle Voraussetzungen fehlen, ein Faschoda aber, d. h. eine weltpolitische Verständigung der Westmächte auf Kosten Mitteleuropas zwar unserer Knechtschaft etwas weniger anstößige äußere Formen geben könnte, dafür aber in Diagonale der britischen und der französischen Ausbeutungskräfte nur unsere materielle Knechtung verlängern, die Gefahr nnserer seelischen Unterjochung vertiefen würde.
51.