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Waterloo oder Faschoda?
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Fritz Kern

nur zu gut, daß die Iren, die jetzt nicht mehr Untertanen, sondern Bundes­genossen in Personalunion sind, unzufriedene Feinde bleiben nnd das Errungene nur als riihmreich erstrittenes Unterpfand der noch zu erlangenden völligen Freiheit auffassen. Gin solcher Nationalismus ist durch Weisheit nicht mehr Zu heilen. Die Iren hatten den Engländern zugemutet, entweder zu kapitu­lieren oder einen Ausrottnngskrieg gegen sie zu führen. Die Buren konnte man niederwerfen; aber ein zwanzigmal stärkeres Volk von unmittelbarster Nachbar­schaft und mit dem dröhnenden Schallboden Amerika in Konzentrationslagern abzumorden, das ging selbst über englische Nerven.

Dazu nun die Franzosen in modernster Kriegsansrüstuug am Kanal, der kein Schutz mehr ist gegen Ferngeschütze, U-Boote, Flieger, einem abgerüsteten England gegenüber, dessen Grand Fleet in Scapa Flow oder irgendwo sonst ein sich selbst ernährendes und nur U-Boote nach deutscher Kriegserfahrung auf See. schickendes Frankreich nicht besiegen könnte. Besäßen die Franzosen deutsche U-Bootskommandanten, die Stimmung Englands wäre flauer, als je zur Zeit derdeutschen Gefahr". Gewiß könnte man im Kriegsfall den Franzosen ihr Kolonialreich fortnehmen. Aber England, das Kriege niemals unter ritterlicher Romantik betrachtet, sondern nnr dann nicht gescheut hat, wenn es bei geringem eigenem Risiko entweder eine riesige Übermacht oder festländische Haudegeu zur Hauptarbeit verfügbar hatte, sieht einem Krieg mit Frankreich- Irland voll Unbehagen entgegen, und dieses Unbehagen bestimmt einmal die Unwahrschcinlichkeit eines solchen Kriegs, zum andern .eben deshalb Englands schwache diplomatische Lage Frankreich gegenüber. Wenn nicht Amerika hilft, wird die Verlegenheit sobald nicht geringer. In Washington aber dominiert an­scheinend noch die olympische Maxime i Europa hilf dir selbst, dann wird dir Amerika helfen.

Zu einein neuen Waterloo bzw. zn dessen diplomatisch auswertbarer theore­tischer Möglichkeit fehlt der Festlandsdegen. Auch haben die Engländer immer uoch viel zu viel Angst vor einer wirklichen Kräftigung Deutschlands. Zwar stöhnt Lloyd George und seinDaily Chronicle" nnter der französischen Herrisch­reit;Daily News",Nation",Manchester Guardian" haben längst zurückge­funden zu der Jahrhunderte alten antifranzösischen Stimmung, die das ideali­sierte Frankreich der Marne als hohle Vorspiegelung erkannt uud den Typus Ludwigs des Vierzehnten, des ersten und zweiten Kaiserreichs als dasdauernde nationale Selbst" des Galliers betrachtet, undNew Statcsman" nenntunsere Freunde, die Franzosen, die größten, aufrichtigsten und gefährlichsten Feinde, die England heute in der ganzen Welt hat". Aber dieTimes" wittern immer noch nnr deutsche Gefahren. Curzon, der Außenminister, und seinDaily Telegraph" sind folgerichtig dabei, auf deutsche Kosten Zug-nm-Zug-Geschäfte im Orient mit dem Quai d'Orsay abzuschließen, und die Nationalisten'derMorning Post", die auf Lord Derby setzen, glauben gegen die großen Feinde der.Zukunft, Rußland und Deutschland, immer wieder ein Faschoda-Frankreich in Rechnung stellen zu können. Denn Frankreich könnte ja bei einem Krieg mit England auch nichts wirklich gewinnen. Frankreich ist in seiner Weltpolitik immer unveständig, ja flatterhaft gewesen, es hat nur eine fixe Idee, den Rhein, und es müßte doch ein Verfall der alten britischen Staatskunst sei», lveun es nicht gelingen sollte, das hypomane Frankreich dernatürlichen Grenze" im übrigen zu gängeln. Bisher haben in britischer auswärtiger Politik die Nationalisten immer recht behalten.

England von Frankreich gesehen

Die französischen Nationalisten verstehen sich im Hauptpunkt bemerkens­wert mit den englischen Jingos, und es ist sicher, daß Poincare im Notfalls die Trikolore aus der ganzen Welt zurückzöge, um sie dauernd in Straßburg und

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