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Katholizismus und Völkerversöhnung
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Aatholizismus und Völkerversöhnung

Von Dr. Acirl Bnchheim

er Arbeitsausschuß zur Verteidigung deutschler und katholischer Interessen im Weltkrieg hat im Sommer dieses Jahres aus zahl­reichen Beiträgen katholischer Wissenschaftler ein Sammelwerk erscheinen lassen unter dem TitelDeutschland und der Katholizis- 'mus; Gedanken zur Neugestaltung des deutschen Geistes- und Gesellschaftslebens" (herausgegeben von Dr. Max Meinertz und Dr. Hermann Sachler bei Herder in Freiburg, 2 Bände, geb. 29 M.). Geschrieben sind die Abhandlungen zu einer Zeit, als die Hoffnung auf einen deutscheu Sieg noch stark war: das Vorwort, datiert vom Feste Peter und Paul (29. Juni 1918), deutet diese Voraussetzung mit folgendem Sat« ausdrücklich an:So mag denn dieses Wer! zu einer Zeit, da das deutsche Volk die Früchte seiner beispiellosen Kraftleistung reifen sieht, hinausgehen." Gelesen werden muß es nun aber in einer Lage, wo unsere weltpolitischen Hoffnungen zerbrochen sind. Die Früchte, die uns gereist sind, schmecken bitter, und noch wissen wir nicht, wie wir sie über­haupt vertragen werden. Alle Verbältnisse sind gründlich geändert. Wahrschein­lich hat der Leser heute wenig Lust, sich mit einem umfangreichen Werke zu beschäftigen, das mit Vorausseymigen zu rechnen scheint, die bei weitem nicht mehr zutreffen. Indessen darf man gerade diesen Bänden gegenüber nicht ver­gessen, daß es sich um eine Kundgebung des Katholizismus handelt, dessen politische und kulturelle Anschauungen auch unter der neuen Staatsordnung gewiß nicht belanglos sein werden. Denn sie sind älter als jede Staatsordnung, die im heutigen öffentlichen Leben als alt oder neu diskutiert wird, und jede"muß sie berücksichtigen, wenn sie nicht auf Granit' beißen will. Kürzlich erzählte mir ein evangelischer Feldgeistlicher von seinen Eindrücken aus der jüngsten Umsturz­bewegung: niemand habe in dem Revolutionstrubel der Soldaten eine ruhigere Figur geinacht als sein katholischer Kollege, ein feiner alter Fvanzislanerpater, der auf seinem Pferde gegenüber dem allgemeinen Geschrei und der Auslösung so recht die Ruhe verkörpert habe, die mau auf dem Felsen Petri auch dann findet, wenn Staat und Gesellschaft aus den Fugen gehen.

Mitteleuropa, im Kriege besiegt und aller Klammern der bisherigen poli­tischen Ordnung beraubt, ist heute eine Hexenkessel durcheinanderwogender An­sprüche von Nationalitäten und sozialer Klassen. Die dringendste Aufgabe des Tages ist zunächst, überhaupt Frieden zu schlaffen und neue geordnete Beziehungen unter den Völkern Europas. Je nachdem, ob diese Beziehungen Bürgschaften der Versöhnung in sich tragen oder leine latente allgemeine Verseindung bewahren wevden,wird auch der innere Aufbau unseres Staates verschieden ausfallen. Ich halte es daher für zeitgemäß, aus der reichen Fülle des Materials nur eine Ab­handlung des katholischen Sammelwerkes hier auszuwählen, indem ich mir vor­behalte, auf andere bei späterer Gelegenheit zurückzukommen. Es handelt sich um

Grenzboten IV 1918 25