Z?i5marcks Pei^mächtiiis
Neben der Sorge um die Pflege der -Freundschaft mit Rußland hat das Verhältnis zu England den Geist Bismarcks nach seinem Sturze nur wenig beschäftigt. Im Anfange fehlte es nicht an abfälligen Bemerkungen über englische, durch'die Kaiserin Friedrich vermittelte Hoseinflüsse. Als aber in einer Londoner Korrespondenz der „Kreuzzeitung" .behauptet wurde, daß zur Zeit des Berliner Thronwechsels 1883 eine starke Verstimmung zwischen dem Londoner Kabinett und dem Berliner Auswärtigen Amt bestanden hätte, gingen die „Hamburger Nachrichten" scharf dagegen ins Zeug. Sie nannten es eine dreiste Unwahrheit, daß nach dem Rücktritt Bismarcks eine Wandlung der deutsch-englischen Beziehung?» erforderlich gewesen wäre, -vielmehr wäre seit dem Amtsantritt Lord Sulisburys stets lein von beiden Seiten diskret und erfolgreich gepflegtes Unternehmen vorhanden gewesen. Auch bei der Kritik des Helgoland- Vertrags hielt Bismarck an dem Grundsatz fest, daß dos Bestreben, mit England aus gutem Fuß zu bleiben, billi-genswert sei..-
Auf zehn Bismarckartikel über Rußland kam ungefähr einer über England. Zum Teil erklärt sich das daraus, daß Bismcirck, wie die „Hamburger Nachrichten" bezeugten, -an der Festigkeit der englischen Freundschaft, solange Lord Salisbury im Amte war, keinen Zweifel hegte. Das Vertrauen war hier ebenso wie beim Rückv-ersichlerungsvertr'ag gang auf die maßgebende Person gestellt. Andere Klänge aus dem Sachsenwalde vernahm man erst zur Zeit des Krügertelegramms. Die Explosion, die die baiserliche Glückwunschdepesche an den Präsidenten der Burenrepublik verursachte, war dem Fürsten Bismarck überraschend. Sein Hamburger Organ wollte sich kaum eines Ereignisses aus neuerer Zeit erinnern, durch das die Unehrlichkeit der englischen Presse so festgenagelt worden wäre wie in dem zornigen Ausbruch gegen das Telegramm, in dem der Teutsche Kaiser doch, „genau betrachtet", nur der sittlichen Entrüstung der eng- l i schen Regierung über den räubereischen Einbruch in Transvaal den Beistand seiner europäischen Autorität leistete. „Die russische Politik hat ja auch ihre Strebsamketten, aber ohne christliche Heuchelei und mit geschickterer Beachtung der äußeren ForiNen."
Ende Januar 1896 kam dann noch ein langes Register von englischen Unfreundlichkeiten gegen - Deutschland aus der Vergangenheit, von der Zeit des Siebenjährigen Krieges ab und seit dem Wiener Kongresse, hinzu. Dos Hamburger Organ stimmte damit ganz, ohne die sonst gegenüber dem Kabinett Salisbury beobachtete Schonung, in den allgemeinen Chor der deutschen Presse Wider England ein. Die schon vorhandene Anglophobie in der deutschen Öffentlichkeit nahm nun erst recht zu und unterstützte die alte Mahnung, nur in der Freundschaft mit Rußland das Heil gegen den Druck auf die Mitte zu -suchen.'
Der hellblickende Botschafter a. D. Graf Monts hat in einem seiner für das „Berliner Tageblatt" geschriebenen Artikel") die Vermutung geäußert, Bismarck habe Rußland deshalb stets nur mit Samtha-ndschuhcn angefaßt, weil er hoffte, über kurz oder laug müsse der Zusammenbruch in sich selbst erfolgen. Dafür spricht vielleicht die Stelle des Briefes an Lord Salisbury vom.22. November 1887, wo Bismarck neben den panslawistischen Umtrieben die innere» revolutionären Zustände des russischen Reiches als gefährlich für den europäischen -Frieden erwähnt. Auch das zu Bernhard von Bülow gesprochene Wort aus den Endjahren der Amtszeit des großen Kanzlers, von dem russischen Faß, in dem es ganz bedenklich gäre und rumore, konnte herangezogen werden. Aber das war noch der Bismarck in der Fülle seiner Macht, der grollende Kämpfer nach 1890 war ein anderer, Und das eben -ist bei nüchterner Betrachtung seiner politischen Wirksamkeit im Ruhestande -der hervorspringende Punkt, daß qlle seine Erinnerungen und Ermahn u n-gen viel mehr an d en Er l eb n iss en d er s e ch zige r u n d siebzig e r I ahre des vorigen I a hrhund erts als a n denen d e r letzten z e h n Jahre seiner Amtszeit hasteten. Wie im Innern das Zentrum, das ihm während
>) ,/Politische Aufsätze" -von Gras Monts-, Berlin .1917, S. 31.