Bismarcks Vermächtnis 5)75
immer bekannt, auch wenn es alle Einzelheiten sind. Wie mir scheint, hat e st beim Herannahen und ivähreiid des Weltkriegs die historische Forschung mit ge- steigcriem Hang .u MoblemstelliMgen" uud „Zielsetzungen" die Ginudlinien der polnischen Mochioerschiebungen in Europa seit 1850 und damii auch der Staat-' tunst Bl?i»a,cks 'chaN herauszuarbeiten g such,»)^
So hat also Bismarck anfangs mit der Zerrissenheit der eigenen Nation und den Stammesfehlern im deutschen Vaterland, später aber nach vollendetem Neubau des Reichs mit dem Verhängnis gerungeu, das Hintze in die Worte faßt: Unsere geographische Lage ist unser historisch-politisches Schicksal. Deshalb blieb seine Politik bis zum Schluß immer nur europäisch orientiertund .trotz der rücksichtslosen Anwendung von Blut und Eisen war sie niemals Prestige- oder Machtpolitik, sondern immer nur sah ex die Größe Deutschlands in innerer Stärke. Macht reizt zu Gewalt und Widergewalt, Stärke trägt die Bürgschaft der Zukunft in sich selbst. Macht ist immer gefährlich, Stärke, in der Verbindung von militärischer Tüchtigkeit mit geistigen und moralischen Kräften, niemals.
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Bei einem Vergleich des Bisma-rck im Ruhestände mit dem in Macht und Würden, dem Reiche und seinem kaiserlichen Herrn dienenden Bismarck mnß man zugunsten jenes davon ausgehen, daß er keine Taten mehr vollbringen konnte, sonder»! auf Worte angewiesen blieb. Ihm war der ständige Überblick über das geheime Getriebe der Diplomatie entzogen, und sein Rat wurde nicht leingeholt. Gleich blieb sich nur die Sorge um den Schutz seines Wertes vor inneren und äußeren Gefahren. Er war widerwillig und unter harten Kämpfe» vom Felde seiner Taten gewichen, und aus seinen Worten sprach nicht nur Weisheit, sondern auch leidenschaftlicher Groll. So mußte Wohl der gealterte, erbittert die neuen Männer am Steuer befehdende Bismarck ein anderer sein als der im Vollbesitze seiner Möcht und seines Einflusses auf die Geschicke des Reichs und Europas.
Von Persönlichem, mitunter allzu Persönlichem, abgesehen, hat er sich in seinen öffentlichen Reden, Tischgesprächen, Eingebungen in den ihm ganz ergebenen Blättern während der acht Jahre vom Rücktritt bis zum Tode als Warner hauptsächlich in zwei Richtungen vernehmen lassen: Gegen die Sozialdemokratie und über unser Verhältnis zu Rußland.
Die große innere Krisis des Reichs, die schweren Kämpfe um die Frage, ob gegen die noch ganz vom Geiste des kommmnstischen Manifestes von Marx
°) Ich nenne aus dem Sammelwerk „Deutschland »md der Weltkrieg" die Beiträge: „Deutschland .und das MeltstaatenMem" von Otto Hintze; „Die Vorgeschichte des Krieges" von Hermann O-ncken; „Kultur, Machtpolitik und MRtaviSums" von Friedrich Meinecke. Ferner besonders Hermann Oucken: „Das alte und das neue Mitteleuropa", Gotha 1917; Kjellün: „Die politischen Probleme des Weltkriegs", Leipzig 1915; Fr. Mcimcke: „Probleme des Weltkrieges." '
") Auch die Erwerbung von Schutzgebieten stand unter dem Einfluß europäischer Gedanken. Als .z. B. der .Kammerherr Gros Behr-Bandelin die von Karl Peters Ende 1834 mit einer Anzabl ostasrikanischer Häuptünae abMMossenen Verträge in der Reichskanzlei vorgelegt hatte, konnte der erbetene Schutzbrief für die Gesellschaft für deutsche Kolonisation nicht schnell genug ausgefertigt und veröffentlicht werden (27. Februar 1885), weil sich der Fürst davon eine Vermehrung der Schwierigkeiten für das wankende Kabinett Gladftone-Granville versprach. Unmittelbar darauf folgte das von Granville herausgejorderte Rededuell mit den beiden Hödurrcden, das viel zum Sturze des Kabinetts Gladstone und zur Wiederkehr des Bismarckfreundes Salisburh ans Ruder (9. Juni 1885) beitrug. — Bezeichnend ist auch', daß die „Gedanken und Erinnerungen" kein Kapitel über die Kolonmlvolitik enthalten, und Bismarcks getreuer Helfer bei Abfassung des Werkes, Lothar Bucher, war doch der Urheber davon, daß die Kolonisation in der deutschen Reichsverfossung unter den Zuständigkeiten des Reiches nicht unerwähnt geblieben ist.