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Die Politisierung der Frau
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der um das Individuum als Selbstzweck gezogen ist. Hier wird es die neue, im Vollgefühl ihrer politischen Verantwortlichkeit erzogene Frau selbst sein, die richtunggebend wirken wird und wirken muß. Und so sehen wir den Kreis sich schließen: von der Machtstellung als Serualwesen in der primitiven menschlichen Gemeinschaft schreitet die Frau über die Entrechtung durch ihre nicht völlig zu überwindende wirtschaftliche Schwäche im Werdegang der sozialen Entwicklung zurück zur Machtstellung durch die Mutterschaft innerhalb eines sozialisierten Staates.

Es ist ein müßiges Beginnen jetzt über den Eintritt der Frau in das politische Leben den Kopf zu schütteln. Der Beschluß ihrer politischen Gleich­berechtigung angesichts der Nationalversammlung ist gefaßt und wird durch die Konstituante selbstverständlich nicht umgestoßen "werden, da sie selbst mit Hilfe der Frau zustande kommt. Wir haben uns also mit einer gegebenen Tatsache abzufinden. Immerhin verdient es festgehalten zu werden, daß eine nicht unerhebliche Anzahl von Frauen wenige Monate vor Kriegsende gegen die Gewährung des Mahlrechts schwer« Bedenken äußerte. Sie hatten damals in einer Kundgebung darauf hingewiesen, daß breite Frauenschichten überhaupt kein Interesse am Fvauenwahlrecht haben, daß ihre persönlichen Wünsche auch ohne Stimmrecht erfüllt werden könnten, daß die Frau sich nicht für den Partei­kampf eigne und die urteilslose Masse durch das Wahlrecht der Frau ein erdrückendes Übergewicht gewinnen .würde. Diese Frauen.waren sich auch darüber klar, daß Sozialdemokratie und Zentrum, also diejenigen Parteien, die infolge ihrer straffen Organisation einen überaus starken Einfluß auf die Frauen auszuüben vermögen, in erster Linie Zuwachs erhalten würden, was, naturgemäß ihrer Auffassung nach dem Staatswohl nicht förderlich fein könne. Antworten auf diese Kundgebung von liberaler Seite sind nicht ausgeblieben. Sie waren nicht schwer zu geben, denn die rechtsstehenden Frauen hatten den Boden, von dem aus sie zu fechten gedachten, zu eng begrenzt, auch mußten jene überzeugender wirken, weil sie statt in der Negation stecken zu bleiben, positive Ziele wiesen und an die Stelle von Mißtrauen das Vertrauen setzten. Mit Recht wurde von liberaler Seite an das Wort Jork von Martenbergs erinnert, daß der Staatsmann das, was in der natürlichen Entwicklung der Zukunft liegt, regeln und beherrschen und nicht zu verhindern suchen soll. Hierin aber lag der Fehler aller konservativen Elemente, nicht nur bezüglich des Frauenwahlrechts, sondern der Frauenbewegung überhaupt: sie konnten nicht regeln und beherrschen, deshalb suchten sie zu verhindern. Gewiß nicht aus Feindseligkeit gegen die Frau, vielmehr infolge einer gewissen Verschlossenheit gegen die Forderungen der Zeit. Erst sehr spät, zu spat entschlossen sich die Konservativen zu Konzessionen, jedoch nie zu dem mutvollen Bekenntnis, daß die Kraft der Frau in ihrem schweren Existenzkampf, zu dem sie durch äußere Umstände gedrängt wurde und der den Kernpunkt der Frauenbewegung ausmacht, durch Herkommen und Vorurteil nicht im geringsten gebunden werden darf, daß sie im Gegenteil geschützt und gefördert Werden muß auf alle mögliche Weise. Sie aber wollten das Weib" erhalten und töteten die Weiber. Man wolle über die Hüter überkommener Ideale nicht den Stab brechen. In der Dramatik der Ent­wicklung einer der wichtigsten sozialen Fragen möchten wir ihr Schwergewicht nicht missen, aber die Folgen für die praktische Politik konnten nicht ausbleiben. Heute sehen wir sie mehr als die anderen Parteien dazu verurteilt, um die Frau zu werben. In aller Eile wird nunmehr das Interesse der Frauen für politische Dinge, die man ihnen bisher fernhalten wollte, in Anspruch genommen,, sie werden politisch gebildet, in wenigen Wochen soll nachgeholt werden, was in Jahren versäumt wurde. Täuschen wir uns nicht über die Lage. Tatsächlich werden die Sozialdemokratie und das Zentrum aus die große Masse rechnen können, und zwar nicht nur um ihrer straffen Organisation, sondern auch um der Werbekraft einfacher Formeln willen. Die Sozialdemokratie wendet sich an die primitiven sozialen Instinkte der Mehrzahl ihrer Wähler, das Zentrum appelliert cm > Gemütswerte, denen die religiöse Frau sich nur schwer entzieht. Breite