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Belgischer Terrorismus
zu: „Glj hebt toch Niet geteekent?" Darauf erscholl aus den Eisenbahnzügen die Antwort: „Nee, wij hebben niet geteekent". „Wij teekenen niet".
Patriotards — so nennt man in Belgien die fanatischen llberpatrioten — gehen von Haus zu Haus und Hetzen. Geistliche in hohen Stellungen besuchen auf ihren Reisen alle Familien, aus denen Arbeiter nach Deutschland abgeführt sind — selbstverständlich nur um zu trösten!
Es kam, wie es kommen mußte. Von der Gelegenheit freie Arbeitsverträge zu schließen, wie sie den Abgeschobenen auf dem belgischen Ausgangsbahnhof und später in der deutschen Sammelstelle geboten wurde, wagte nur eine verschwindende Minderheit Gebrauch zu machen. Tausende und Abertausende der abtransportierten Belgier verweigerten hartnäckig jegliche Arbeit in deutschen Betrieben.
Die dadurch unvermeidlich gewordene Anwendung von Druckmitteln hat natürlich weder unter den Abgeschobenen noch in ihrer belgischen Heimat die Stimmung verbessert. Abgeschobene, die sich dadurch zur Arbeitsaufnahme haben zwingen lassen, fürchten die Rache ihrer Landsleute. Ihre daheimgebliebenen Angehörigen fürchten auch ihrerseits, dieser Rache und täglichen chikanösen Quälereien znm Opfer zu fallen. Voller Angst davor dringen sie in ihren Briefen teils in offener Sprache, teils unter allen möglichen Verkleidungen, teils mit verabredeten Zeichen wieder und wieder in ihre abgeschobenen Angehörigen, doch ja nicht zu „teekenen". Unter diesen Umständen war es wohl richtig, wie es dann auch geschah, auf die zwangsweise Abführung von Arbeitern nach Deutschland zu verzichten und damit wenigstens eine Quelle maßloser Aufregung und Erbitterung gegen uns — nicht allein in Belgien, sondern weithin über den ganzen Erdball — allmählich versiegen zu lassen. Die Not der Zeit, namentlich die in schwindelnde Höhe gestiegenen Preise der Lebensmittel nötigten ja ohnehin die Belgier, denen die Heimat keine Verdienstmöglichkeit bot, in Deutschland Arbeit und Brot zu suchen.
Seitdem hat sich die Zahl derer, die freie Arbeitsverträge nach Deutschland abschlössen, ständig gesteigert. Nicht allein Männer und Jünglinge, auch Frauen und Mädchen ließen sich scharenweise für Deutschland anwerben. Und wenn auch die Not der Zeit manche Klagen wieder und wieder erklingen läßt, im ganzen läßt sich nicht verkennen, daß die Stimmung der in Deutschland arbeitenden Belgier sich fortschreitend gebessert hat. Nicht allein das immer häufiger gewordene Nachziehen der Familienglieder, auch Verheiratungen' mit Deutschen,' Gewöhnung an die für die Flamen ja so leichte deutsche Sprache, Einleben in deutsches Denken — selbst in der Beurteilung des Krieges — sind Erscheinungen, die nicht mehr allzu selten sind.
Die terroristische Hetze beherrschte in Belgien nicht allein auf dem Gebiete der Arbeit, sondern auch auf allen möglichen anderen Gebieten das Feld. Um nur noch ein Beispiel zu nennen: wer seinen Sohn die Genter Universität beziehen lassen möchte, den versucht man samt seinem Sohne durch Drohungen einzuschüchtern.
Sollte aber das, was wir in langen Kriegsjahren in Belgien schufen und förderten, nicht bloß ein rasch wieder verschwindendes Trugbild sein, so wäre es zuerst und vor allem nötig gewesen, die Macht des Terrorismus zu brechen, die Belgier und besonders die Flamen, die zum Zusammenarbeiten mit uns bereit waren, vor gehässigen Anfeindungen und vor der Rache ihrer Lcmdslmte wirksam zu schützen. ' In dieser Beziehung ist bisher sehr viel — man kann sagen fast alles — versäumt worden.
Man hätte den Mut haben müssen, diesen Terrorismus auch in den höchsten Vertretern der belgischen Geistlichkeit mit allem Nachdruck zu bekämpfen. Ohne das ist alles vergeblich, denn in ihren Händen laufen die Fäden der deutschfeindlichen Hetzarbeit zusammen. Die Kirchen find es, wo in Belgiert am ungeniertesten, nachhaltigsten und gehässigsten Tag für Tag gegen Deutschland gearbeitet wird.