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Neu« Parteiprogramme
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Neue Parteiprogramme
S. Das Aktionsprogramm der Sozialdemokratie
! as sozialdemokratische Aktionsprogramm hat in den Reihen der Partei eine schlechte Presse gefunden und der Parteiausschuß lehnte die vom Vorstande vorgeschlagene Abstimmung mit der Begründung ab, daß ihm vorher eine Ergänzung notwendig erscheine. Trotzdem kann die provisorische Fassung als interessantes Stimmungsbild über den ! gegenwärtigen Stand der Parteibewegung volle Aufmerksamkeit beanspruchen.
Einer der geistigen Väter des Programms, der schon erwähnte Genosse Kunow, macht im Vorwärts gegenüber der von allen Seiten laut werdenden Kritik unseres Erachtens mit Recht geltend, daß die Zusammenhäufung aller möglichen Forderungen schwerlich ein Aktionsprogramm entstehen lasse, das die ^sozml- demokratie „aktionsfähig" mache und dem größten Teil ihrer Anhänger verständlich bleibe. Zudem: in einer gärenden Zeit, wie der unseren, wo das einzige Gewisse die Ungewißheit des Kommenden ist, müsse ein „einstweiliger Arbeitsplan, der auf der Grundlage der heute schon erkennbaren Veränderungen die Bahn absteckt", genügen. Kunow betrachtet ausdrücklich den Kommissionsentwurf als einen „Lückenfüller für die Übergangszeit", bis die neue Lage geklärt sei und das „längst veraltete" Erfurter Programm durch ein neues ersetzt werden könne. Und in der Tat. wenn man dieses noch völlig doktrinäre Produkt aus dem Jahre 1891, das zum Teil schon, als es angenommen wurde, „durch die wirtschaftliche Entwicklung überholt" gewesen sei, mit dem Aktionsprogramm von 1918 vergleicht, so sieht man, welche Fortschritte die „Revolutionierung der Revolutionäre" (Plenge) inzwischen gemacht hat und wie nötig eine Revision der Parteidogmen geworden ist.
Schon die Einleitungen beider Dokumente zeigen ihren völlig verschiedenen Geist. Die Erfurter läßt noch in breiter Front das schwere Geschütz der marxistischen Theorie auffahren, in einer „ellenlosen Auseinandersetzung", als förmliche »ökonomische Abhandlung" (Kunow), die darauf folgenden Einzelforderungen geradezu erdrückend, schwelgt der soeben vom Zwange des Sozialistengesetzes befreite Redefluß der Parteiherolde in den Schlagworten des „kommunistischen Manifestes" von dem Elend, der Ausbeutung, Unterdrückung und klassenbewußten Jnternationalität des Arbeiterstandes. Die Einleitung von 1918 ist ehrlich genug,, auf diese wirklich nicht mehr recht zeitgemäßen Phrasen zu verzichten und die klangvollen Thesen der ökonomisch-materialistischen Geschichtsauffassung zu dem einen Satze zusammenschrumpfen zu lassen, daß die sozialdemokratische Partei „in zielbewußter Mitarbeit die Neugestaltung der politischen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse unseres Volkes in eine zum Sozialismus führende Bahn zu lenken suchen" müsse.
Um dies zu' erreichen, wird an der Spitze der „politischen Forderungen", wie nicht anders zu erwarten, der Grundsatz der Volksherrschaft proklamiert. Aber die Art seiner Durchführung weicht von dem 1891 empfohlenen Verfahren ab. Hielt man damals eine „direkte Gesetzgebung durch das Volk vermittelst des Vorschlags- und Verwerfungsrechtes", — neben der Wahl der Behörden — für das geeignete Mittel, so scheint man ein Menschenalter später der Unmöglichkeit solcher Kantönlipolitik sür den modernen Großstaat eingesehen zu haben. Nunmehr wird bloß entscheidender Einfluß des Volkes auf die parlamentarischen Körperschaften — durch das bekannte Wahlrecht politisch Unmündiger — und „Entscheidung dieser Volksvertretungen bei der Berufung und Entlassung des Reichskanzlers, der Staatssekretäre und Minister" verlangt. Die hiermit umschriebene Volksherrschaft ist aber auch verschieden von dem, was sonst auf der