Die Lommatzscher Pflege und das Geschlecht derer von Schleinitz
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triebe, wie er in Leutewitz herrscht, außer schuldeufreiem Besitz auch bedeutende Betriebskapitalien nötig. Es gibt aber in der Pflege auch schon mittlere Betriebe, die in vorbildlicher Weise die jetzige Krisis der Landwirtschaft durch vermehrte Umsicht und Einsicht zu überwinden streben. Von den Nebeuzweigen dieser mittler» Betriebe ist der ehedem wenigstens am Ostrande der Lommatzscher Pflege und in einigen Bachtttler» betriebne Weinbau leider im Verschwinden, trotz der vielfachen Anregung, die die landwirtschaftliche Schule in Meißen zu seiner Wiederbelebung und zur Heranbildung der uötigen Winzer bietet. Nur der Fremdling, der etwa in Meißen selbst ein schlecht bekömmliches, fuseliges Gemisch ans allen möglichen fremden Traubensorten als „Meißner Schieler" getrunken hat, kann die Güte des hier wachsenden Rebensaftes bemängeln. Wer aber den edeln, dem Burgunder gleichendeu Rotwein gekostet hat, den zum Beispiel der Wolfsche Weinberg tu Gasern, der letzte des Jahnatales, hervorbringt, wird mit mir wünschen, daß die nach Osten und nach Süden zu gewandten sonnigen Steilhänge unsers Gebietes dereinst wieder den herzerfreuenden, landschaftveredelnden Weinstock tragen möchten. Sogar die mittler» Betriebe der Pflege stehn in der Regel auf vielen Füßen. Ich kenne in Seebschütz den Besitzer eines Gutes von etwa sechzig Hektaren, der mit Körner- und Zuckerrübenbau und einer musterhaften Milchwirtschaft von etwa dreißig Kühen eine sehr ansehnliche Geflügelzucht und die ausgedehnteste Fürsorge für den Anbau edel» Obstes vereint und dabei auch noch Zeit findet, den geschichtlichen Erinnerungen feiner Scholle in der liebevollsten Weise nachzngehn. Die Gefäßscherben, Urnen, Bronzcfibeln, Armringe, die er aus dem Boden pflügt, führen ihn weit über die oben besprochne slawische Zeit rückwärts in die Anfänge unsrer Zeitrechnung, als vereiuzelte germanische Ausiedlungen in der Pflege existierten, ja zurück bis in die jüngere Steinzeit. Das fast nur aus Funden des eignen Ackers angelegte kleine Museum ist überaus lehrreich, weil es nicht wie die großen Museen durch die Überfülle der Einzelheiten verwirrt. Wenn ich nun auch den andern Landwirten der Pflege empfehle, auf die geheimnisvolle Kunde der Vorzeit zu achten, die der gepflügte Acker von sich gibt, überhaupt die geschichtlichen Erinnerungen ihres Dorfes uud ihrer Scholle kennen zu lernen und zu pflegen, so sehe ich die meisten, denen diese Zeilen überhaupt zu Gesicht kommen, über meine Laieneinfalt lächeln. Dazu hat der Bauer keine Zeit, heißt es. Es ist aber doch vielleicht nicht Zufall, daß die Güter, in deneu ich ein wenig Interesse für die Vergangenheit fand, auch im übrigen recht Wohl bewirtschaftet waren. Es sind dieselben Güter, die keine dauernde und ernsthafte Not um deutsches Gesinde kennen, die das Erntefest und das Weihnachtsfest noch immer in patriarchalischer Gemeinschaft mit ihren Leuteu begehen. Etwas Idealismus muß auch der Bauer haben, er darf sich darin nicht von den andern Ständen beschämen lassen; die Landwirtschaft ist noch immer unser vornehmster Beruf und soll es bleiben, denn zu preisen ist der Mann,
Der sein väterlich Erbe nnt stillen Schritten umgehet Und die Erde besorgt, so wie es die Stunden gebieten.
Er bedarf aber auch „des reinen, immer gleichen, ruhigen Sinnes," und dieser hat Raum für alles Gute und Schöne, für eine opferwillige Staatsgesinnung wie für die Werke christlicher Nächstenliebe. Wenn der Bauernstand wnrzelfest an seineu alten Idealen festhaltend zugleich iu neuer Tntkraft und Umsicht an der Selbsthilfe arbeitet, wird er die Krisis siegreich überwinden. In Sachsen müssen die von alters her am besten gestellten Bauern der Lommatzscher Pflege das Vorbild dazu liefern.