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Im alten Brüssel : (Schluß). 24
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Im alten Brüssel

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So blieb sie denn lieber zuhause und wartete auf Oomke, wie auch die sorg­fältig eingerichtete Stube auf den Sohn Papa Toones wartete. Da stand auf dem Tisch die Lampe mit dem grünen Schirm, und an der Wand standen auf einem feinen neuen Bücherbrett seine Schulpreife, die rot und goldnen Bände und auch alle die unschönen, abgegriffnen Lehrbücher.

Fintje freute sich zugleich auf die Rückkunft Oomkes und fürchtete sich vor ihr. Vielleicht war Oomke der, der ihr in den Weg laufen mußte, weil er gerade sie nötig hatte zu seiner Wohlfahrt, wie Mere Marie zu sagen pflegte. Papa Toone, der hatte seine Freunde, Oomke aber, wenn er aus dem Gefängnis heim­kam, hatte niemand als sie allein.

Verstört und zerrissenen Herzens würde er heimkommen und nicht mehr wissen, wie er sich fortan zum Leben stellen sollte. Sie konnte das mit Gewißheit prophezeien, weil sie Oomke genau kannte. Obschon sie früher wenig acht auf ihn gehabt und nicht viel Gedanken auf ihn verschwendet hatte, unbewußt hatte sie sein Wesen doch empfunden, denn jetzt stand es in deutlicher Erkenntnis vor ihr: Oomke hatte sie immer geliebt. An all seinen Gedanken, Gefühlen und Plänen hatte sie teil gehabt, Oomke gehörte zu den stillen, ungeschickten Menschen, die eigensinnig, treu und leidenschaftlich in ihren Bestrebungen wie in ihrer Liebe sind, und was sie an Enttäuschungen erfahren, in rachsüchtigem Grimm in sich hineinfressen. Daß sie, die er lieb hatte, von ihm weglaufen und sich soweit er­niedrigen konnte, eines Reichen Maitresse zu werden, das hatte dem schwerfälligen, feinfühligen Oomke das Leben und die Zukunft vergiftet, und er hatte sich an dem rächen wollen, der ihm sein Kleinod weggenommen hatte, wie er sich schon damals an Jan l'Grand zu rächen getrachtet hatte, als der Fintjes Bewunderung von ihm abzog. Darum fürchtete sie sich jetzt vor ihm, wenngleich sie darauf brannte, an ihm gut zu machen, soviel sie konnte. Er hatte sie Wohl auch jetzt noch nötig, der unbeholfne Oomke, und die festgewurzelte Liebe hatte er trotz allem Groll gewiß nicht ganz aus dem Herzen zu reißen vermocht. Würde er sich freuen, wenn er sie hier im Hause fäude?

Je näher der Termin seiner Heimkehr heranrückte, desto unruhiger wurde sie. Täglich wischte sie mit sorglicher Hand den Staub in seinem Zimmer ab.

Auch Papa Toone sah des Sohnes Heimkunft mit gemischten Gefühlen ent­gegen, und er ging noch häufiger als bisher mit seinen Getreuen aus.

Und eines Tages gegen Abend kam Oomke heim. Im grauen Dämmer­licht schob sich seine schmale, verzogne Gestalt geräuschlos zur halboffnen Tür herein.

Guten Abend, Vater!

Mit einem zurückgedrängten Schrei der Bestürzung fuhren sie beide auf, der Vater und Fintje. Der Heimgekehrte aber sah nur auf Papa Toone, Fintje wollte er nicht bemerken.

Der verlegne Vater geleitete ihn unter vielen polternden Reden in die hübsche Stube, die er ihm zugedacht hatte.

Oomke, verstört und mürrisch, antwortete dem Redseligen mit keinem Wort, und der Alte stahl sich bald verlegen zu den wartenden Freunden davon.

Es war, wie Fintje heimlich befürchtet hatte: krank und gebrochen an Leib und Seele war Oomke heimgekehrt.

Er saß in seinem Zimmer hinter dem Tisch, die Lampe zündete er nicht an. Nun mußte sie allen Mut zusammenraffen und zn ihm Hineingehn mit der eilig hergestellten Abendmahlzeit.

Aber Oomke stieß das Essen zurück. Branntwein wollte er haben. Er bat nicht darum, er fuhr Fintje an wie eine verachtete fremde Dienstmagd. Sie lief gehorsam über die Straße und kam mit der verlangten Flasche zurück, die sie stumm vor ihn hinstellte. Sie wußte, daß seinem schwächlichen Körper das scharfe Getränk Gift war, wagte aber kein Wort der Einrede.

Dann sehte sie sich wieder in die andre Stube hinüber und wartete klopfenden Herzens darauf, daß Papa Toone endlich heimkommen und sich zu dem Einsamen