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Deutschösterreichische Partein :
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Deutschösterreichische Parteien

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sehrvölkisch" wild durcheinander. Sie rufen zwar bei jeder deutschen Eiche einmal und bei der Nennung Bismarcks dreimalHeil," singen bei jeder Passenden oder unpassenden Gelegenheit dieWacht am Rhein," was sie aber eigentlich wollen, wissen sie selbst nicht. Unklar über ihre nationalen Ziele und durchaus unerfahren in der praktischen Politik, neigen sie der leichtesten der parlamentarischen Künste, der unbedingten Opposition zn, die, wie das Lebeu lehrt, schon die kleinsten Kinder üben, die sich nicht vor Schlägen fürchten. Sie finden es ganz logisch, zu behaupten, die Deutsch- vsterreicher seien ein Edelvolk, das den Staat Österreich ausminderwertigen" Vvlksstämmen geschaffen habe, während sie selbst jede Forderung für diesen Staat ablehnen, jede seiner Maßregeln verdammen, das Heer schmähen und bekämpfen usw. und doch in demselben Atem von der Regierung verlangen, sie solle Österreich germanisieren und die deutsche Sprache sofort als Staats­sprache dekretieren. Was einmal aus dieser politischen Kinderstube werden mag, steht dahin. Daß das deutsche Volkstum schärfer betont wird, ist ja cm sich ganz gut, und früher ist in dieser Hinsicht schwer gesündigt worden, weil man bei dem zum Teil ganz unnötigen Kampfe gegen den Klerikalismus und dem Neunen nach dem demokratisch-parlamentarischen Regiment regel­mäßig das nächste anßer acht ließ, was der Förderung des Deutschen ge­frommt hätte. Aber bei der heutigen Kampfweise kann man doch auch zu nichts Nützlicherm kommen, eine Germanisierung ließe sich kaum noch durch den straffsten Absolutismus durchführen, den will man ja aber auch nicht. Was will man eigentlich? Wenn man das Tun dieserFührer" beobachtet, wird man unwillkürlich an den politischen Spottvers Heines erinnert:Marschiere trommelnd immer voran, das ist die ganze Wissenschaft."

Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß es immer dieselben Blätter sind, die heutzutage im österreichischen wie im französischen Parteistreit, der klarer zu durchschauen ist, den Vorkampf führen. Und wiederum dieselben Zeitungen sind es gewesen, die als Verfechter des Deutschtums in Österreich galten und im Ausland noch immer dafür gelten, weil ihre Stimme am lautesten vernommen wird. Als die Zweifel an der deutschliberalen Partei in Österreich überhand nahmen, wandte er sich auch nach dieser Richtung hin, und man begann zn fragen, ob nicht dieses Deutschtum, das man bisher mit Händen zu greifen vermeinte, tatsächlich nichts weiter als das Aushängeschild von Börsenjobbern sei. Man hatte allerdings zahlreiche Artikel gelesen, die mit deutschnationaler Wärme das Herz erquickten und sich doch bei näherer Prüfung als Ausfluß der reinsten Finanzinteressen heransstellten.Falsch Gebild und Wort verändern Sinn und Ort," mit diesen Worten läßt Mephistopheles die verhexten Studenten statt Auerbachs Keller ein wunder­volles Land erblicken, und als sie einander an die Nasen greifen, glauben, daß es Tranben seien.Betrug war alles, Lug und Schein," sagten null die Getäuschten und suchten nach den Betrügern. Waren es nicht fast aus­nahmlos Juden, die so geschrieben hatten, und standen diese nicht auch sollst überall im Vordergrunde, an der Börse, im Handel, in Kunst und Wissen­schaft? Der Anstoß zur antisemitischen Bewegung, die auch zu derselben Zeit in Deutschland ausbrach, war so mit dem Zusammenbruch der deutschliberalen