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Neugier und Wißbegier
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148 Don der Neichshauptstadt nach dem Riesengcbirge durch die Luft

werden? Man empfängt nicht den Eindruck, daß es sich immer nm das große Ziel handle, das Bild des bedeutenden Menschen in möglichster Klarheit Hervorgehn zu lassen, sondern daß auch die Genugtuung des Aufspürens, des Durchdringens der Intimität, des Aufzeigens menschlich kleiner Züge im Spiele sei; es können da ähnliche Antriebe gegenüber dem Leben der Entfernten und Erhöhten wirken, wie sie als Neugier gegenüber dem Leben der Nahen, der nach Zeit und Ort Benachbarten so unerfreulich hervortreten. Aber mag man hier seine Zweifel zurückdrängen und das Ergebnis immerhin schätzen: es ist das nicht die einzige Art, wie sich die Neugier gerade auf dem literarischen Gebiete regt. Auch zu wissen, wie das literarische Gebilde, wie die einzelnen Gestalten einer Dichtung, wie die geschilderten Beziehungen aus dem persönlichen äußern uud innern Erleben des Dichtenden entstanden sind, auch das kann, wie es eine würdige Aufgabe der literarischen Forschung sein kann, doch auch ein vordringliches Spiel der persönlichen Neugierde werden. Die Italiener verwenden um hier auf eine Bemerkung des Eingangs zurückzukommen ihr Wort ouriositg. sehr verständlicherweise anch für Vorwitz und ebenso für eigensinnige Liebhaberei. Die Dichter selbst werden durch diese Versuche meist sehr verstimmt; sie beanspruchen es als ihr Recht, daß sich ihr persönlich intimes Leben vor der Forschbegierde oder Spürsucht verschließe; uud auch was sie an Gestalten, Charakterzügen, Lebensbeziehungen der Wirklichkeit entliehen haben, wollen sie nicht untersucht wissen, schon weil sie da selbst als die Indiskreten erscheinen, wenn dies auch in Wahrheit nur die aufspürenden und aufdeckenden Historiker oder Kritiker sind. So die lebenden Dichter; und die toten? Sie würden vielleicht von ihrem Grabe aus nicht viel freundlicher darauf herüberschauen, aber immerhin verblaßt dem Entfernten und Vergangnen gegenüber eher die grelle Farbe der Neugier. Im ganzen läßt sich die Grenze des Berechtigten und des Anfechtbaren durch keine Formel feststellen; doch die Möglichkeit der Grenzüber­schreitung fehlt sicher uicht. Keine Veredlung schlitzt vor dem Rückschlag ins Roh­ursprüngliche, und keine begriffliche Scheidung hat Macht über die Strömungen der Wirklichkeit.

Von der Reichshauptstadt nach dem Riesengebirge

durch die Luft

von Johannes poeschel (Schluß)

in langgezogner Pfiff dringt zu uus herauf. Richtig, gerade unter uus fährt mit zwei Lokomotiven bespannt der Schnellzug nach Görlitz, der 10 Uhr 50 Minuten Verlin verlassen hat und Großstadtmüde in die Sommerfrischen des Riesengebirges bringt. Unser Ballonschatten huscht neben ihm her. Wer ist schneller? Wir als die Klügern geben das Rennen auf und gönnen ihm seinen Vor­sprung. Die armen Reisenden da unten in ihren rußgeschwärztcn, dunst-