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Die Mobilmachung von 1870 :
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Die Mobilmachung von i^37()

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des Materials begann am 16, und dauerte bis zum 23. August. Die neuen gezognen Geschütze folgten vom 31. August ab. Das Kriegsmiuisterium hatte in einer Denkschrift vom 7. August gemeldet, es würde gebotnenfalls keine Schwierigkeiten haben, einen zweiten Train in derselben Stärke zusammen­zustellen. Aber in einem an Roon erstatteten Bericht vom 25. August meldet das Departement, daß auf die Defensionsgeschütze iu Poseu und in Schlesien habe zurückgegriffeu werden müssen. Der Bestand an schweren Geschützen neuer Konstruktion sei nahezu aufgebraucht, und infolgedessen müßten bei einem weitern Bedarf, sofern nicht eine teilweise Degarnierung der Ostseefestungen für zulässig erachtet würde, Rohre und Lafetten älterer Konstruktion verwandt werden.

Am 8. September benachrichtigte der Chef des Generalstabs Noon, daß voraussichtlich zwischen dem 25. und dem 30. der ernsthafte Angriff auf Paris beginnen würde. Zu dessen wirksamer Durchführung sei das Feuer schwerer Geschütze notwendig, deren schleunigste Heranführung in möglichst großer Zahl (mit Einschluß der nötigen Festuugsartilleric) der König heute befohlen habe. Mit dieser Mitteilung beginnt die Leidensgeschichte des artilleristischen Angriffs auf Paris, die, wenu auch zum großen Teil bekannt, in dem vorliegenden Buche eine bis in alle Einzelheiten gehende Beleuchtung erfährt. Schon am 9. September gab Roon die entsprechenden Weisungen nach Verlin, am 13. September wurde die Mobilmachung des zweiten Belagerungs- traius zur Beschießung von Paris vom Könige formell befohlen. Schon am 3. Oktober wird jedoch von dem Parkkommcmdo in Nantcuil, wohin die Trans­porte gehn, um von dort auf dem Landwege nach dem Park von Villa Coublay geführt zu werden, über Mangel an Fuhrwerk geklagt. Diese Klagen finden auch in den folgenden Wochen keine Abhilfe, und am 26. Oktober ersucht Moltke den Kriegsminister, für die nächsten Wochen von Nachsenduug weiterer Geschütze und der zweiten Munitionsrate abzustehn. Es läge ein solches Quan­tum von Munition in Ncmteuil, daß zur Heranführung viertausend Fuhren notwendig seien, während nur zweihundert zur Verfügung stünden. Tatsachlich rechnete man damals im Generalstab mit dem Fall von Paris, da man von Sedan die erbeuteten Militärwagen nach Soissons gehn ließ, wo sie der Generalintendantur zur Verfügung gestellt wurden,um Vorräte heranzuführen." Es wurde zu jener Zeit für nötiger erachtet, große Vorräte für Gefangne an­zusammeln,wodurch allerdings der Transport des Belagerungsmaterials eine weitere Beschränkung erfahren wird." Roon ließ nun in Deutschland fünf­hundert starke, zum Munitionstrausport geeignete Wagen aufkaufen und in zerlegtem Zustande nach Frankreich senden.

Bekanntlich hatte in diese Frage auch Bismarck durch eine Vorstellung vom 28. November an den König vom politischen Standpunkt aus ein­gegriffen und die Beschießung der Forts als eine politische Notwendigkeit be­zeichnet. Die Verzögerung des Angriffs kontrastiere mit der Schnelligkeit, mit der die Franzosen die schwersten Geschütze mit ausreichender Munition von Toulou, Brest und Cherbourg nach Paris geschafft Hütten. Wenn auch die Armee in der Lage sei, abzuwarten, bis der Hunger Paris zur Übergabe