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Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts. 3.
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Z46 Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts.

Mich an den Metopen) nur oberflächlich angelegt, die Gewandung ist größtenteils flüchtig und ohne jede Rücksicht auf naturgemäßen Fall wiedergegeben. Aber andrerseits fehlt es doch auch nicht an einigen Lichtblicken in diesem wenig er- freulichen Ganzen: mehrere Körper, wie der Zeus des Ostgiebels, der Apollo des Westgiebels, sind entschieden besser behandelt als die andern, wenn sie sich auch nicht entfernt mit denen der Ägineten oder gar des Parthenons vergleichen lassen; unter den Köpfen finden sich neben ganz ausdruckslosen, neben den grin­senden karikaturartigen Kentaurcngesichteru, uebeu Heroenköpfen mit häßlich breitem Untergesicht, neben realistisch unschönen, runzligen alten Weibern, auch einige, welche sich durch edle Formen, wenn anch von etwas herber Strenge, ja selbst durch einen leisen Zng geistigen Lebens auszeichnen. Und was vor allen Dingen anerkannt werden muß: die Komposition hat nnd das gilt besonders von den bewegten Kampfszencn des Westgiebels gegenüber der streng symmetrischen Ge­bundenheit der Ägineten, wo jede Figur rechts mit einer entsprechenden links korrespondirt, einen bedeutenden Fortschritt gemacht. Zum erstenmale begegnen wir hier iu der Plastik der Gruppenbildung, und zwar gleich in der kühnsten Weise, indem nicht bloß ein Paar von Kämpfern, sondern mehrfach sogar drei Personen zu einer eng zusammenhängenden Gruppe vereinigt sind, deren Erfin­dung als wirklich bedeutend und künstlerisch erdacht anerkannt werden muß. Nur daß hierbei besonders jener Widersprnch hervortritt, welcher überhaupt das Auf­fallendste dieser ganzen Giebelsknlpturen ist: daß an sich treffliche Gedanken größtenteils iu mangelhafter Form wiedergegeben sind. Nichts hindert, sich die Kentauromachie des Westgiebels von einem vollendeten Künstler in den Formen der höchsten Kunstblüte oder etwa mit der Virtuosität der pergameuischeu Schule, mit aller Meisterschaft der Technik und doch ohne jede oder wenigstens mir mit geringer Veränderung der Motive wiedergegeben zu denken: man kann ohne weiteres behaupten, daß der Eindruck des so umgestalteten Werkes ein vortreff­licher sein müßte, bei welchen: niemand einen Widersprnch zwischen Erfindung und Ausführung empfinden würde. Dagegen würden die Ägineten, in den Formen der vollendeten Kunst ausgeführt, auf der Stelle erkennen lassen, daß Form und Erfindung miteinander nicht harmoniren. Dieser Umstand giebt zu denken und ist entschieden geeignet, bei der Lösung der Frage, wer denn diese Werke geschaffen, welcher Zeit und welcher Schule wir sie zuzuschreiben haben, ins Gewicht zu fallen.

Diese Frage hat schon von Anfang an die Gemüter lebhaft beschäftigt und wird heute noch in sehr verschiedener Weise beantwortet. Ich begnüge mich hier, darauf hinzuweisen, daß (abgesehen von Ovcrbeck in der neuen Auflage seiner Plastik") am eingehendsten darüber gehandelt worden ist von Brunn in zwei Abhandlungen:Die Sknlpturen von Olympia" (Sitzungsberichte der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philos.-philol. Klasse, 1877, Bd. I. Heft 1 und 1878 Bd. I, Heft 4). Außerdem verdienen besondre Beachtung die Artikel