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kauutlich die Selbstverwaltung. „Nur auf dieser Basis ist ciue gedeihliche Reform möglich" — solche und ähnliche Nedenscirteu kann mau überall bis zum Überdruß hören. Selbstverwaltung ist uud bleibt das große Schlagwort des Tages. Die komplizirtesteu technische» Fragen mögen zur Diskussion stehen, irgend jemand spricht das große Wort von der Selbstverwaltung gelassen aus, uud das erlösende Wort ist gefallen, die Sache ist erledigt. Und doch, wollte mau bei der großen Masse derer, welche den Nnf nach Selbstverwaltung, sei es an der Bierbank oder in Leitartikeln, so laut ertönen lassen, ernstliche Nachfrage halten, was denn eigentlich daruuter zu verstehen sei, so ist tausend gegen eins zu wetten, daß weitaus iu den meisten Fällen beredtes Schweigen oder ein endloser Wust allgemeiner Redensarten, der naturgemäße Ausdruck unklarer Vorstellungen, die Antwort sein würde. Was Gneist von den Zeiten des Beginnes der Neformbewegnng sagt: „Alles war einverstanden über Selbstverwaltung, verband aber damit entgegengesetzte, unvereinbare Ziele" gilt in geringer Abschwächung noch hente. Kein Wunder; denn „eben da, wo die Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein." Ist doch selbst die Wissenschaft bisher »och nicht duzn gelaugt, den Begriff so vollständig durchzuarbeiten, daß er bereits Gemeingut der ganzen Nation hätte werde» können. Gerade Gneists eigne, für die ganze hier in Rede stehende Bewegung erst Bahn brechende Schriften über das englische Selfgovernment tragen nicht znm kleinsten Teile die Schnld an diesem Znstande. Das klingt paradox, ist aber nichtsdestoweniger richtig. Unter dem gewaltigen Eindrucke, welchen seine Darstellungen überall hervorriefen, war mau mir zu geneigt, in der englische« Selbstverwciltuug überhaupt das Ideal aller Selbstverwaltung zu erblicken, und man übersah demgemäß bei der Jmpvrtirung des Begriffes »ach Deutschland, daß mau alle euglisch-uatioualeu Elemente hätte ansscheiden, von allen Zufälligkeiten der aus dem langwierigen Gange eines geschichtlichen Entwicklungsprozesses allmählich herausgewachseueu, positiv geltenden Gestaltung hätte abstrahiren müssen, nm den reiueu Begriff der staatsrechtliche» Theorie zu gewiuueu. Mit auderu Worten, der Liberalismus hat hier einmal seiner sonstigen Neignng znm Gcneralisiren entgegen die besondre geschichtliche Erscheinungsform mit dem nllgemeiugiltigeu Typus verwechselt. Eben weil aber das Wort Selbstverwaltung für uns noch keinen historisch gegebenen Inhalt hat, so bedarf es der Definition. Und da stellt sich denn, wie Friedberg („Besteuerung der Gemeinden") sehr treffend nachweist, heraus, „daß mau gemeiniglich uuter Selbstverwaltung zwei vollständig disparate Begriffe zu vereinige» sncht: die Teilnahme der Staatsbürger a» der Staatsverwaltung i» Form des vom Staate verliehenen Ehrenamtes einerseits, die selbständige Verwaltung der örtlichen Interessen durch die Gemeinde andrerseits." Mn» muß sich diese Doppelbedeutuug des Wortes stets gegenwärtig halten, um den heillose» Wirrwarr, de» eS «»gerichtet hat, z» begreife». Da es sich ohnehi» um Verhaud-